Bildungsforscher Lassnigg fordert völlige Kostentransparenz der Lehrerverwaltung statt Verländerung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Die Bildungsreformdiskussion wird am Schwanz aufgezäumt. Daher sind auch die Erwartungen sehr gering", sagt Lorenz Lassnigg, Bildungsforscher am Institut für Höhere Studien, im Vorfeld des Bildungsgipfels am 17. November. Die Frage, ob die Verwaltung aller Lehrer künftig beim Bund oder bei den Ländern liegen solle, sei am Beginn der Bemühungen um eine Bildungsreform gestanden. Aber aus einer völlig falschen Vorgabe könne keine gute Politik entstehen.
Bevor die Zuständigkeit der Lehrerverwaltung zur Gänze zu den Ländern wandere, solle lieber alles so bleiben, wie es ist, sagt Lassnigg zur "Wiener Zeitung". "Wir kennen die Ausgaben für die Bildungsverwaltung gar nicht", Eine Verlagerung der Verwaltung sämtlicher Lehrer zum Bund könnte 800 Millionen Euro Ersparnis bringen, wird kolportiert. Laut Statistik Austria liegen die Ausgaben des Bundes und sämtlicher Gebietskörperschaften für Bildungsverwaltung in Österreich (inklusive Universitäten) bei nur 700 Millionen Euro. In den Zahlen der Statistik Austria ist kein Verwaltungsaufwand der Lehrer oder der Direktoren, die ja beinahe nur verwalten, enthalten. Und was in den Ländern in die Verwaltung fließe, wisse man auch nicht, sagt der Bildungsforscher. "Sicher ist: Die Länder geben mit 3,5 Milliarden Euro immerhin die Hälfte des Schulbudgets aus."
Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat, um eine bessere Kontrolle über die Landeslehrer zu erhalten, ein Controlling eingeführt. Aber die Länder halten diese Spielregeln nicht ein. Während der Bund ganz genau aufschlüsseln kann, wo welche Bundeslehrer wie eingesetzt sind, weiß man das von den Landeslehrern nicht.
Das Unterrichtsministerium hat nun eine Simulationsrechnung angestellt, die die Ausgaben der beiden Ländergruppen vergleicht: Die eine Gruppe (Kärnten, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg) verwaltet die Pflichtschulen in den Landesregierungen; die andere Gruppe der Länder (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Burgenland) verwaltet die Pflichtschullehrer im Landesschulrat, einer Bundesverwaltung.
Bundesverwaltung ist billiger
"Der Vergleich ergibt, dass im Gegensatz zu den Behauptungen der Föderalisten die Landesverwaltung teurer ist als die Bundesverwaltung", sagt Lassnigg. Denn die Landesverwaltung hochgerechnet auf alle Länder würde Mehrkosten von 250 Millionen Euro bedeuten. Die Bundesverwaltung hochgerechnet auf alle Länder würde Einsparungen von 220 Millionen Euro bringen. Demnach hätte also eine einheitliche Bundesverwaltung gegenüber der Verländerung ein Sparpotenzial von 470 Millionen Euro.
Lassnigg rät, anstatt die nicht lösbare Verländerungsdebatte fortzusetzen, die Kräfte auf Transparenz zu fokussieren. Die fehlende Kostentransparenz wirke sich auf alle Fragen der Bildungsfinanzierung aus. "Es geht um die Grundstrukturen der österreichischen Schulentwicklung."
Österreich hat in der Bildungsverwaltung mit den vier Ebenen - Bund, Länder, Gemeinden, Schulen - viel zu große Schuhe - so viele Ebenen gibt es normalerweise in Staaten mit mehr als 40 Millionen Einwohnern. Laut OECD, der Organisation der Industriestaaten, haben von den Kleinstaaten außer Österreich nur Belgien und die Schweiz regionale Zuständigkeiten im Bildungsbereich; in den kleinen Staaten gibt es zwei Ebenen: Bund und Schule oder Bund und Gemeinde. "Da kommt nun die Schulautonomie ins Spiel", sagt Lassnigg. Denn die Autonomie sei auch eine Form der Zuständigkeit.
Im Zuge der Bildungsreformgespräche hat die Expertenarbeitsgruppe zu Beginn ein umfassendes Richtungswerk vorgelegt. Darin wurde den Schulen großzügigste Autonomie zugedacht. Vor allem wird von den Bildungsexperten gefordert, dass Schuldirektoren sich die Lehrer aussuchen können sollen. Damit wäre auch ein gewisser Qualifizierungsdruck für die Lehrer gegeben.
Echte Autonomie testen
Nun scheint es aber so zu sein, dass von der Autonomie nur noch ein Veto der Direktoren bei der Lehrerbestellung übrig zu bleiben scheint. Schulen bleiben also weiterhin von der Governance abgeschnitten, erhalten dafür aber einige pädagogische Freiheiten: Öffnungszeiten, Auflösen des 50-Minuten-Taktes, Fächerschwerpunkte. Lassnigg schlägt stattdessen vor, aus den derzeit 70 Städten und Gemeinden mit einem voll ausgebildeten Schulwesen 30 für ein Pilotprojekt heranzuziehen. In diesem sollen die Schulen - mit einem bestimmten Budgetrahmen pro Kind - völlig autonome Schulen entwickeln können. Nur diese Budgethoheit garantiere den Schulen auch tatsächlich Autonomie. "Alles andere ist Flickwerk", sagt der Bildungsforscher.