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Kein Obama-Jubel in Tokio

Von WZ-Korrespondent Martin Fritz

Politik

Japans Regierung ist auf den Richtungswechsel nicht vorbereitet. | Tokio. Von Freude keine Spur: Japan blickt frustriert und skeptisch auf den neuen US-Präsidenten. Nur in der Küstenstadt Obama ("Kleiner Strand") wurden Hula-Tänze aufgeführt, weil der prominente Name Touristen anlocken wird. Die Politiker in Tokio ahnen dagegen: Enttäuschungen sind programmiert. In einem Telefongespräch mit Obama bekräftigte Ministerpräsident Taro Aso zwar, "die Stärkung der Allianz mit den USA ist der Grundpfeiler der japanischen Diplomatie". Sein Presseamt verbreitete, Obama hätte in dem Telefonat seine Nähe zu Japan betont. Er habe seine Kindheit in Indonesien verbracht und Japan mehrmals besucht. Doch die liberale Asahi-Zeitung machte Aso am nächsten Tag darauf aufmerksam, dass Japan in der Obama-Ära seine Außenpolitik ändern müsse. Der neue Präsident unterscheide nicht mehr zwischen Freunden und Feinden. Die japanische Regierung müsse sich deshalb im Stich gelassen fühlen. Die Schlussfolgerung der Zeitung: Es reiche für Japan nicht mehr aus, Washington einfach nur zu folgen. Man müsse in Zukunft eigene Ideen präsentieren und danach handeln.


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Doch die japanische Regierung ist auf den Richtungswechsel nicht vorbereitet. Premierminister Koizumi erklärte einst, je besser die Beziehungen zwischen Japan und den USA, desto besser seien die Beziehungen zwischen Japan und Asien. Koizumi schickte deshalb japanische Truppen zum Wiederaufbau in den Irak, die japanische Marine betankte die US-Schiffe im Afghanistan-Einsatz im Indischen Ozean. Trotzdem musste Tokio zähneknirschend akzeptieren, dass die Bush-Regierung keine Rücksicht auf die Sonderwünsche seines angeblich besten Bündnispartners in Asien nahm. So haben die USA vor wenigen Wochen Nordkorea von der Liste der Terror-Staaten gestrichen, ohne dass die Kim-Diktatur die japanische Forderung erfüllt hatte, das Schicksal einiger verschwundener japanischer Staatsbürger aufzuklären.

Unter Obama dürfte sich dieser Trend fortsetzen. In seinem Wahlprogramm verlangt der designierte US-Präsident eine breitere Sicherheits-Architektur in Asien. Das werde die Partnerschaft mit Japan weiter aushöhlen, meinte die Nikkei-Zeitung. Obama könnte sich verstärkt China zuwenden, so eine weitere Befürchtung in Tokio, weil der Handel die beiden Länder immer stärker verbinde. Der neue Präsident könnte Japan zudem drängen, sich stärker in Afghanistan zu engagieren. Die japanische Verfassung erlaubt zwar keinen Kampfeinsatz im Ausland, aber Japan muss damit rechnen, ähnlich wie beim ersten Golf-Krieg den Krieg am Hindukusch mit ein paar Milliarden Dollar zu unterstützen.

Chicago gegen Tokio

Auch die Hauptstadt Tokio blickt mit Sorge auf den Präsidentenwechsel: Ihre Bewerbung für Olympia 2016 könnte Schaden nehmen. Konkurrent Chicago hat mit Obama einen prominenten Fürsprecher, der sein großes politisches Gewicht zugunsten seiner bisher als aussichtslos geltenden Heimatstadt in die Waagschale werfen will.