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Kein Pflegenotstand, aber...

Von Ina Weber und Barbara Schuster

Politik

Nach der Abschaffung des Pflegeregresses sind die Wiener Parteien in Sachen Finanzierung unterschiedlicher Ansicht.


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Wien. Einen Pflegefall in der Familie zu haben, ist nicht leicht. Neben der hohen emotionalen Belastung kam bis vor kurzem noch der Pflegeregress hinzu - sprich das Zugreifen des Staates auf das Vermögen der Erben, um die Kosten der Versorgung abzudecken. Mit der Abschaffung des Pflegeregresses seitens des Bundes mit 1. Jänner 2018 stellt sich zwar nun aufseiten der Familien Erleichterung ein, der Staat muss jedoch zusätzlich Geld aufstellen, um die entstandene Lücke zu füllen. So wurde den Ländern ein Zuschuss von 100 Millionen Euro für das Jahr 2018 zugesichert. Wie jedoch die nachhaltige Sicherstellung für eine immer älter werdende und wachsende Bevölkerung zu bewältigen ist, darüber sind sich die Parteien mitten im Wahlkampfgetöse uneinig.

Neos: Erhöhte Nachfragebei Pflegeplätzen erwartet

Ein erster Trommelschlag war diesbezüglich am Mittwoch von den Wiener Neos zu hören. Für Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger droht Wien ein Pflegekollaps. Sie rechnete vor, dass für das Jahr 2018 aufgrund der erhöhten Anfrage auf Pflegeheime zusätzliche 1350 stationäre Pflegeplätze gebraucht werden würden. "Die Errichtungskosten allein liegen hier bei 100 Millionen Euro", sagte sie. Man habe den Pflegeregress ohne Gegenfinanzierungsmodell abgeschafft. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass die Neos als einzige Partei der Abschaffung nicht zugestimmt haben. "Das schafft mehr Probleme, als es Lösungen bringt", sagte die Neos-Wien-Chefin. Nächste Woche will die pinke Partei ihren Vorschlag für eine nachhaltige Finanzierung vorlegen. "Dabei wird es in Richtung Pflegefonds gehen", sagte sie zur "Wiener Zeitung". Sie forderte neue landesgesetzliche Bestimmungen, einen Runden Tisch zum Thema, Präventivzentren in den PHCs (Erstversorgungszentren) und den Ausbau der mobilen Pflege.

SPÖ und Grüne:Erbschaftssteuer für Pflege

Die Wiener SPÖ sieht die Pflege hingegen gesichert. Aus dem Büro von Sozialstadträtin Sandra Frauenberger hieß es am Mittwoch, dass man zwar mit einer verstärkten Nachfrage rechne, es aber genügend verfügbare Plätze gebe. Allein im Juni seien im Bereich des KAV( Krankenanstaltenverbundes) rund 100 Plätze frei gewesen. Die Finanzierung sei für das Jahr 2018 gesichert. Darüber hinaus sei es Aufgabe des Bundes, eine Lösung zu finden. Die SPÖ schlägt eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro vor, um damit die Pflege zu sichern.

Das geht den Wiener Grünen nicht weit genug. Sie setzen sich für eine Erbschaftssteuer schon ab 500.000 Euro ein. Um die Pflege zu sichern, gehöre das System steuerlich anders aufgestellt, sagte die grüne Gemeinderätin Birgit Meinhard-Schiebel zur "Wiener Zeitung". Neben der Erbschaftssteuer sprach sie sich für eine Reform der Grundsteuer, die Streichung von bestimmten Steuerbegünstigungen, die Einführung einer Erbersatzsteuer für Privatstiftungen aus. "Und diese Gelder sollten dann zweckgewidmet werden", sagte sie.

Die Wiener FPÖ will für die Finanzierung der Pflege keine zusätzlichen Steuern einführen, sondern fordert, dass die allgemeinen Steuermittel umgeleitet und effizienter eingesetzt werden. Konkret sollten etwa die Sozialleistungen für Migranten gekürzt werden, hieß es aus dem freiheitlichen Rathausklub zur "Wiener Zeitung".

FPÖ und ÖVP:effizienteres Steuersystem

Ein effizienteres Steuersystem fordert auch die Wiener ÖVP. Gemeinderätin Ingrid Korosec sieht die Lösung in der Finanzierung aus einer Hand. "Im Bereich der Pflege sprechen wir von 20, 30 Finanzierungsströme - von Bund, Ländern, Gemeinden. Auf diesen Wegen versickert sehr viel Geld", sagte sie zur "Wiener Zeitung". Die Pflege lasse sich finanzieren, wenn man das System reformiert.

Caritas: von Pflegereform"nach wie vor weit entfernt"

Auch Caritas und Volksanwaltschaft stellten am Mittwoch, einen Tag vor dem Welt-Alzheimertag, ihre Forderungen zur Pflege vor. Es brauche in erster Linie bundesweit einheitliche Qualitätsstandards, meinte Caritas-Präsident Michael Landau im Rahmen einer Pressekonferenz. Die Abschaffung des Pflegeregresses sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Die Pflegefinanzierung müsse aber nun gesichert werden, betonte er. Denn von einer umfassenden Pflegereform sei man "nach wie vor weit entfernt". Neben besser qualifiziertem Personal sollten auch Angehörige besser unterstützt werden. Volksanwalt Günther Kräuter forderte dahingehend einen Rechtsanspruch auf Pflegeteilzeit und Pflegekarenz. Weiters beharrten Landau und Kräuter auf die Umsetzung der 2015 von der Regierung präsentierten "Demenzstrategie". Darunter fällt etwa die Prävention sowie die Unterstützung der Angehörigen.

Dass der Pflegeregress abgeschafft wurde, darüber sind im Grunde alle Parteien froh. Auch die Neos haben nur deshalb dagegen gestimmt, weil die Gegenfinanzierung nicht gesichert sei. Meinhard-Schiebel (Grüne) sieht den Gewinn in der Wahlfreiheit der Angehörigen. "Man kann jetzt anders entscheiden. Man kann das Pflegeheim wählen, ohne, dass man Angst haben muss, sein Hab und Gut zu verlieren." Denn Fälle wie Demenz könne man zu Hause nicht mehr schaffen.