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Kein Plan B für den Schuldenzauber

Von Hermann Sileitsch

Politik

Anleihenrückkauf könnte neue Löcher im griechischen Finanzsektor aufreißen.


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Brüssel. Ja, es gibt Erwartungen, wie viele Investoren das Rückkaufangebot für die griechischen Schuldpapiere annehmen werden. Genannt werden diese aber nicht. "Wir sind selbst gespannt", heißt es in Kreisen der Eurogruppe. Ein Plan B existiere nicht: "Dann müssten wir uns noch einmal zusammensetzen und nachdenken."

Plan A lautet: Griechenland kauft seine ausstehenden Anleihen zurück, nimmt diese vorzeitig vom Markt. Dabei profitiert der Staat vom tiefen Kurs der Papiere - und verkleinert seinen Schuldenberg. Im Idealfall sollten weniger als 30 Cent reichen, um Schulden im Wert von einem Euro zurückzukaufen. Griechenland zieht sich wie Baron Münchhausen selbst aus dem Sumpf: Ob das funktioniert?

Losgehen soll es kommende Woche. Dann wird Athen für rund 20 Anleihen, die in Frage kommen, Angebote machen. Die Preise könnten von 25 bis 34 Cent variieren, hieß es im Vorfeld. Das Ifo-Institut erwartet, dass Athen 10 Milliarden Euro einsetzt, um 30 Milliarden zurückzukaufen - und die Verbindlichkeiten dadurch um 20 Milliarden reduziert. Berechnungen zufolge könnte das die Schuldenquote im Jahr 2020 um 11 Prozentpunkte senken.

Auch in Washington wartet man auf das Resultat, das bis 13. Dezember vorliegen muss: Dann erst entscheidet der Internationale Währungsfonds (IWF), ob er das griechische Rettungspaket weiterhin mitfinanziert. Das darf er nur, wenn es eine positive Schuldenprognose gibt. Und die hängt am Erfolg des Rückkaufprogramms. Über Plan B wollte IWF-Sprecher Gerry Rice nicht spekulieren. Man vertraue auf die "Implementierung" der Beschlüsse durch Athen und die Eurogruppe.

Hedgefonds machen Gewinn

Wo ist der Haken beim Rückkauf? Seit das Vorhaben bekannt geworden ist, sind die Kurse für griechische Anleihen gestiegen - der Ersparniseffekt wird also geringer.

Damit der Schuldenrückkauf klappt, kommt es auf zwei Zielgruppen an, sagt der Anleihenexperte einer internationalen Großbank: internationale Hedgefonds, die sich zu Tiefständen mit den Papieren eingedeckt haben. Wichtiger noch sind freilich griechische Pensionsfonds, Versicherer und Banken. Ausgerechnet diese, so berichten Medien, wollen sich aber nicht beteiligen.

Sie werden es müssen, glaubt der Anleihenprofi: Banken und Politik seien stärker aufeinander angewiesen als oft dargestellt. Athen werde Wege finden, die Banken zur Teilnahme zu "überreden". Allerdings könnte so manches griechische Institut die Papiere noch höher bewertet in der Bilanz stehen haben. Eine Teilnahme am Rückkauf würde dann Löcher aufreißen - die erst recht wieder von staatlicher Seite (und somit aus dem Rettungspaket) geschlossen werden müssen.

Für Hedgefonds, die bei etwa 20 Cent eingestiegen sind, sei die Aussicht auf bis zu 50 Prozent Gewinn binnen weniger Wochen vermutlich attraktiv genug. Es sei zwar denkbar, dass Fonds, die aggressive Strategien verfolgen, darauf spekulieren, noch mehr rückerstattet zu bekommen - bei Anleihen, die nach britischem Recht begeben waren, ist dieser Poker beim Schuldenschnitt für private Gläubiger im Februar 2012 voll aufgegangen. Auf eine Laufzeit mehrerer Jahre sei das Risiko aber dennoch beträchtlich - viele würden wohl den Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vorziehen, so die Einschätzung.

Athen spart 47 Milliarden

Der Großteil der griechischen Schulden liegt ohnehin bei öffentlichen Gläubigern: Der IWF wäre der Letzte, der Zahlungsausfälle akzeptiert. Die Europäische Zentralbank argumentiert, ein Forderungsverzicht würde gegen ihr Mandat verstoßen - dafür werden aber Gewinne aus griechischen Papieren an Athen weitergereicht. Und die Euro-Rettungsschirme haben schon die Umstrukturierung der Schulden - samt Gebührensenkung, Zinsstundung und Fristerstreckung - akzeptiert.

Der deutsche Bundestag gab am Freitag grünes Licht für dieses neue Paket, das Griechenland Erleichterungen im Wert von 47 Milliarden Euro bringt, wie Ifo vorrechnet. 473 Abgeordnete stimmten dafür, 100 dagegen. Das Land habe sich die finanziellen Hilfen seiner Europartner verdient, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble: "Man muss auch sehen, was Griechenland geleistet hat." Ein Schuldenschnitt, also Verzicht auf vollständige Rückzahlung der Kredite, sei kein Thema, so Schäuble.

Am Montag wird die Eurogruppe in Brüssel auch über die Hilfen für Zypern beraten. Laut Zentralbank werden aus dem Rettungsschirm etwa zehn Milliarden Euro zur Stützung der maroden Banken gebraucht. Ein genaues Gutachten soll bis 7. Dezember vorliegen.