Die Barmherzigen Brüder wollten ein Mietshaus abreißen. Die Mieter wehren sich gegen ihre Absiedelung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Bröckelnder Putz, vergilbte Wände und Wohnungstüren, die mit Eisenstangen verriegelt sind. Seit Jahren verfällt das 150 Jahre alte Haus von Ringstraßenarchitekt Theophil Hansen in der Leopoldstädter Taborstraße 18. Als einer der luxuriösesten Hotelbauten seiner Zeit mit Zentralheizung, Aussichtsterrasse und Kaffeehaus kann es auf eine glorreiche Geschichte zurückblicken. Eine Geschichte, die sich aber nicht mehr wiederholen wird. Denn die rund 60 Mieter des ehemaligen "Hotel National" sollen abgesiedelt, das Haus "im besten Fall" abgerissen werden, heißt es vom Eigentümer Barmherzige Brüder, der nebenan ein Spital betreibt.
Der christliche Orden kaufte das Haus im Jahr 2009, um auf der Immobilie sein Spital auszubauen. "Das Spital wird uns zu klein, eine Erweiterung ist daher notwendig", befindet Krankenhausleiter Helmut Kern. Und die beste Lösung für eine Erweiterung sei ein Neubau, ergänzt er. "Wir brauchen bestimmte technische Einrichtungen, bestimmte Gangbreiten und Geschoßhöhen und fünf Untergeschoße." Das ehemalige Hotel würde diesen Anforderungen aber nicht entsprechen.
Vassilakou pochtauf Ensembleschutz
Ein gesamter Abriss dürfte jedoch schwierig werden. Schließlich steht das Haus unter Ensembleschutz. Die zuständige Stadträtin Maria Vassilakou (Grüne) stellte bereits klar, dass dieser Schutz nicht aufgehoben werde. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet.
Nun ließ Kern durchblicken, dass sich das Spital einen Kompromiss vorstellen könnte. Dieser sieht "eine stadtbilderhaltende Variante vor, die das Ensemble um den angrenzenden Karmeliterplatz nicht beeinträchtigt", sagt Kern. Ein Großteil der Fassade könnte also erhalten bleiben, zumindest der Teil auf der Taborstraße. Der Rest, also die Wohnungen und das Stiegenhaus, würden hingegen abgerissen werden. Die Variante werde derzeit durchgerechnet. Ein Ergebnis soll für Mai feststehen und dem Bezirk sowie der Stadt vorgelegt werden.
Doch, egal, ob der Kompromiss zustande kommt, oder nicht: Die Mieter müssen gehen. "Sollten wir gezwungen sein, die Immobilie nicht als Krankenhaus verwenden zu können, dann wird diese mit großer Wahrscheinlichkeit verkauft. Für diesen Fall muss man ein Haus bestandsfrei haben", erklärt Kern. Etwa 40 Prozent des Hauses seien noch belegt, die meisten Mieter haben unbefristete, niedrige Altverträge. Um die Mieter zum Auszug zu bewegen, würde man ihnen Angebote machen, sagt Kern. Darunter Wohnungen des Ordens, die von den Mietern bezogen werden könnten.
Nicht absiedeln wolle man hingegen eine 95-jährige Mieterin, die seit etwa 60 Jahren in dem Haus wohnt. "Wir haben keinen Zeitdruck und wenn es ein paar Jahre länger dauert, dann dauert es ein paar Jahre länger", erklärt der Krankenhausleiter. "Wenn eine 95-Jährige pflegebedürftig wird, was in dem Alter irgendwann wahrscheinlich ist, dann nehmen wir sie auch gerne zu uns ins Haus rüber."
Für den Mieter Stefan Ohrhallinger, der im Bezirk für Wien Anders tätig ist, sind die Angebote des Ordens nicht ausreichend. Die angebotenen Wohnungen seien kleiner und würden sich in anderen Teilen der Stadt befinden. Diese seien nicht vergleichbar mit dem Standort des Hauses in der Taborstraße 18, inmitten einer der aufstrebendsten Gegenden von Wien. "Warum sollen wir einen schlechteren Standort akzeptieren?", fragt der Mieter. Um aus dem Haus auszuziehen, müssten die Barmherzigen Brüder auch gleich große Wohnungen im selben Grätzl anbieten, fordert er. Die Mieter selbst könnten sich die hochpreisigen Wohnungen in der Gegend nicht leisten und müssten sonst aus dem Bezirk wegziehen.
FPÖ fordert Offenlegungder Angebote für die Mieter
Ein Umstand, den auch Elke Hanel-Torsch anspricht: "Diese Mieter sind wichtig für die soziale Durchmischung des Bezirks", sagt die Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung. Die immer höher werdenden Mieten würde sich ohnehin nur noch eine bestimmte Klientel leisten können. "Das kann aber nicht das Ziel sein", befindet sie. "Und selbstverständlich haben Mieter auch Rechte." Man könne sie nicht einfach absiedeln.
Für die Bezirksparteien steht vor allem die Erweiterung des Krankenhauses im Vordergrund. Der am Dienstag eingebrachte Antrag von Wien Anders im Bezirksparlament, dass das Haus in seiner jetzigen Form als Wohnhaus erhalten werden soll, wurde von allen anderen Parteien abgelehnt.
Die Mieter sollten jedoch faire Angebote bekommen und diese aus Transparenzgründen offenlegen, erklärt Wolfgang Seidl, Chef der FPÖ Leopoldstadt. Auf die Frage, ob es abgerissen werden soll, sagt er: "Ein Abriss steht meines Wissens nicht im Raum."
Astrid Rompolt von der SPÖ kann sich einen Abriss vorstellen. "Eine Stadt entwickelt sich weiter", sagt sie. Die grüne Bezirksvorstehung lehnt hingegen weiterhin einen Gesamtabriss ab.
Der Zustand des Hauses würde sich indes verschlechtern, sagt Ohrhallinger. "Es wird im Haus kaum geputzt, es ist verdreckt. Wir haben uns bei der Hausverwaltung gemeldet, es wird nicht besser", sagt er.
Helmut Kern erklärt: "In das Haus wird nur mehr investiert, was notwendig ist, um der Mietkategorie adäquat gerecht zu werden." Verbesserungsmaßnahmen würde man dort aber keine mehr durchführen.
Und im Hinblick auf die Mieter sagt er: "Von jedem späteren Eigentümer werden die Mieter nicht besser behandelt werden können als von uns."