Der Iran lehnt eine Neuverhandlung des Atomdeals ab. Der EU steht eine Zerreißprobe zwischen Washington und Teheran bevor.
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Wien. Der Iran lehnt Neuerungen des 13 Jahre lang verhandelten Atom-Abkommens vom Juli 2015 kategorisch ab. Das stellte Chefunterhändler Abbas Araghchi in einer Zusammenkunft mit seinen Kollegen aus der 5+1-Gruppe (die fünf UN-Vetomächte Großbritannien, Frankreich, China, Russland und die USA plus Deutschland) in Wien erneut klar. Kein Punkt oder Beistrich (vom 159-Seiten-Deal mit fünf Anhängen, Anm.) werde geändert, so der iranische Vize-Außenminister sinngemäß.
Zu der kontroversen Sitzung kam es, weil US-Präsident Donald Trump Kongress aufgefordert hatte, ein bestehendes Gesetz um weitere Sanktionsmechanismen zu erweitern, sodass neben dem Umgang mit nuklearem Material auch Terrorunterstützung oder das Raketenprogramm eine Wiederaufnahme der Sanktionen rechtfertigen könnten. Deutschland und die anderen Unterzeichner haben das Weiße Haus aber deutlich vor einem solchen Schritt gewarnt.
Obwohl sich der Iran an das Abkommen hält, hat Washington heuer mehrmals erneut an der unilateralen Sanktionsschraube gedreht. Die Begründung der US-Administration: Der schiitische Golfstaat unterstütze den Terrorismus und missachte grundlegende Menschenrechte.
Araghchi warf den USA deshalb vor, sie wollten das Abkommen torpedieren, und bezeichnete dies als Verletzung eines internationalen Vertrags. Die USA erwarteten, dass mit dem Atomabkommen alle Probleme im Nahen Osten gelöst werden könnten. Dies sei aber nicht möglich. "Das Abkommen hat ein Problem im krisengeschüttelten Nahen Osten gelöst", betonte Araghchi.
Darüber hinaus echauffierte sich der iranische Spitzendiplomat erneut über die "lasche Umsetzung" der vereinbarten Punkte im Vertrag. "Statt das Abkommen immer wieder zu analysieren, sollte es endlich korrekt umgesetzt werden", forderte er.
Hinter vorgehaltener Hand hieß es, dass Araghchi der EU, China und Russland die Rute ins Fenster gestellt hat. Entweder man gewähre dem Iran eine vollständige Rehabilitierung im Finanz- und Bankensektor, oder der Iran werde seine Entscheidung, den Deal einzuhalten, überdenken. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bescheinigte dem Iran seit Juli 2015 bereits acht Mal, sich genau an die Vereinbarung zu halten.
In der Übereinkunft, die auf 15 Jahre begrenzt ist, hat sich die Islamische Republik verpflichtet, sein Atomprogramm, allen voran die umstrittene hochgradige Urananreicherung, die für den Bau von Atombomben relevant ist, einzustellen. Nun wird Uran nur auf niedrigem Niveau angereichert. Dieses enthält nur drei bis vier Prozent von dem Isotop U-235, mithilfe von Zentrifugen kann dieser Anteil aber auf waffenfähige 90 Prozent gesteigert werden. Das Abkommen verlangte vom Iran außerdem, die Zahl der Zentrifugen in seinen Anlagen in Natans und Fordo von 20.000 auf 5060 und die Uranvorräte auf zwei Prozent oder 300 Kilogramm zu reduzieren.
Im Gegenzug hat der Westen die nuklearbezogenen Sanktionen gegen den schiitischen Golfstaat aufgehoben. Der EU, die nun zwischen den Stühlen sitzt, befürchtet, dass Trump den Deal, den er mehrfach als "schlechtesten Vertrag aller Zeiten" bezeichnet hatte, in die Luft sprengt. Daher steht den Europäern eine Zerreißprobe zwischen Washington und Teheran bevor.
Ein weiteres Problem ist das Faktum, dass Außenpolitik in der Ära Trump nicht im State Department, sondern im Oval Office gestaltet wird. US-Außenminister Rex Tillerson, der dem Deal positiv gegenübersteht und der Meinung ist, dass ein Iran mit Deal eine viel kleinere Bedrohung für die Welt sei als ohne, steht seit Monaten auf Trumps Abschussliste und hat nicht viel zu melden. Und äußert er sich dann doch einmal, wie etwa dahingehend, dass er eine sanfte Gesprächsbereitschaft der Amerikaner mit Pjöngjang anklingen hat lassen, wird er von seinem Chef desavouiert und zurückgepfiffen. Fazit: Der Atomdeal steht in den kommenden Wochen auf dem Prüfstand.