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"Kein Rückfall in Kleinstaaterei"

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die Staats- und Regierungschefs sollen bei ihrem Gipfeltreffen diese Woche in Brüssel "ein Signal" in Richtung Verabschiedung der neuen Verfassung noch in diesem Jahr aussenden, betont der EVP-Fraktionschef im Europa-Parlament, Hans-Gert Pöttering, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Indirekte Kritik übt er an den Mitgliedstaaten, was die Umsetzung der EU-Wirtschaftsziele und die Sicherheitspolitik betrifft.


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"Absolute Sicherheit wird es auf dieser Erde niemals geben. Wir müssen aber das menschenmögliche Optimum tun", so Pöttering. Nach den Anschlägen von Madrid dürfe es "keinen Rückfall in die Kleinstaaterei" geben, mahnt er. Stattdessen müssten die europäischen Sicherheits- und Geheimdienste verstärkt zusammenarbeiten. Ein Antiterror-Koordinator, wie er in der EU diskutiert wird, sei "nicht die Lösung des Problems".

Entscheidend sei vielmehr "die Substanz der Politik". Sollte ein derartiger Sicherheitskoordinator eingerichtet werden, solle dieser in der Kommission angesiedelt werden - nicht im intergouvernmental arbeitenden Rat, fordert der CDU-Politiker. In der EU müsse es in der Sicherheitsfrage jedenfalls "mehr Koordination und Zusammenarbeit" geben, so Pöttering. In seinem Brüsseler Büro war im Jänner ebenfalls eine Briefbombe explodiert.

Substanz der Politik

Hinsichtlich der Erweiterung der Union auf bald 485 Millionen Einwohner (mit dem 2007 geplanten Beitritt Bulgariens und Rumäniens, Anm.) streicht Pöttering die Notwendigkeit heraus, dass die EU-Verfassung "Europas Werte zusammenfasst und Regeln festschreibt". Die Verabschiedung der Verfassung "ist für uns die Priorität der Prioritäten", so der Vorsitzende der größten Fraktion im EU-Parlament. "Ich wünsche mir, dass es noch vor den Parlamentswahlen im Juni einen politischen Beschluss gibt", damit noch in diesem Jahr, spätestens unter der niederländischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr, die Verfassung verabschiedet werden könne.

In der EU-Wirtschaftspolitik urgiert Pöttering zusätzliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten: Der Arbeitsmarkt müsse weiter flexibilisiert, der Schuldenstand zurückgefahren und die Bürokratie reduziert werden. Die im Jahr 2000 vereinbarte "Strategie von Lissabon", wonach die EU bis 2010 zum weltweit größten Wirtschaftsraum werden sollte, bewertet Pöttering als "anmaßenden Anspruch". Die Lissabon-Ziele seien "sehr ambitiös", gleichwohl müssten die Mitgliedstaaten die Reformen angehen. Im Moment werde der Abstand zu den USA immer noch größer, "die EU muss sich anstrengen". Hier appelliert Pöttering auch für die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes: Einige Staaten könnten "nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen", während sich die kleineren Staaten an die Vorgaben halten und die neuen Mitglieder in die Euro-Zone hereingeholt werden sollen.

Anmaßende Ziele

Wie wichtig das EU-Parlament im Gesetzgebungsprozess ist, solle im Europa-Wahlkampf vermittelt werden. Pöttering hofft denn auch auf eine höhere Wahlbeteiligung im Juni - und dass die Medien, deren Berichterstattung "sehr stark national geprägt" sei, sich mehr der EU-Politik widmen. "Wir arbeiten darauf hin, wieder stärkste zu werden", so der EVP-Fraktionschef. Dann möchten die Konservativen den nächsten EU-Kommissionspräsident stellen. Pöttering nennt neuerlich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als einen der geeigneten Kandidaten sowie Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker und Belgiens Ex-Premier Jean-Luc Dehaene, aber auch den bisherigen EU-Regionenkommissar, Frankreichs Michel Barnier.