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Kein Salzamt

Von Barbara Sorge

Politik
Lange Verfahrensdauer bei der MA 35 bemängelt die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht an den Wiener Landtag.
© Jenis

Immer mehr Menschen wenden sich auch in Wien an die Volksanwaltschaft.


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Wien. Das Kind ist begabt. Es steigt vorzeitig von der Volksschule in die Neue Mittelschule auf. Dort wird es gehänselt, drangsaliert, entwickelt eine Schulangst und weigert sich, in die Schule zu gehen. Der Vater wendet sich daraufhin um Hilfe an den Stadtschulrat - und wird bestraft, weil die Schulpflicht verletzt wurde. Nach Einschreiten der Volksanwaltschaft (VA) wurden die Umstände der Schulpflichtverletzung berücksichtigt und spezielle Hilfestellungen durch die Abteilung Schulpsychologie angeboten.

2013 hat die Volksanwaltschaft rund 5000 Anfragen zu Fällen wie diesen aus der Wiener Bevölkerung bekommen. In 1063 Fällen wurde dann auch tatsächlich ein Prüfverfahren eingeleitet. Das stellt einen Anstieg um rund 15 Prozent dar. Am meisten Beschwerden gab es im Bereich Mindestsicherung und Angelegenheiten der Jugendwohlfahrt. 323 Fälle wurden hier geprüft - 2012 waren es 255. Nicht in allen Prüffällen wird tatsächlich ein Missstand festgestellt: Das war in 118 von 1030 abgeschlossenen Prüffällen der Fall. Das ist eine Missstandsquote von 11,5 Prozent, die im Vergleich zu 2012 (11,4 Prozent) fast gleich geblieben ist. Das nannte Volksanwalt Günter Kräuter (SPÖ) ein "relativ gutes Zeugnis" für die Wiener Verwaltung, denn österreichweit läge diese Quote bei 16 Prozent.

Kritik an Netzbetten, Toiletten und Verfahrensdauern

Kritik gibt es aber dennoch genug - 166 Seiten ist der Bericht an den Wiener Landtag stark. Besonders kritisierten die drei Volksanwälte - neben Kräuter Gertrude Brinek (ÖVP) und Peter Fichtenbauer (FPÖ) - bei der Präsentation ihres Berichts über das Jahr 2013 die Verwendung von Netzbetten in der Psychiatrie, die Abwicklung der Mindestsicherung durch die MA 40 sowie die fehlende Barrierefreiheit von Toiletten auf der Donauinsel.

Die Netzbetten betreffend hätte sich der Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft - Mitglieder sind Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Bundesministerien - bereits einstimmig gegen deren Verwendung ausgesprochen, sagte Kräuter am Dienstag. Auch das Gesundheitsministerium hätte dazu aktuell einen Erlass an die Landeshauptleute in Aussicht gestellt, in dem Netzbetten und andere käfigartige Betten als nicht verhältnismäßig beurteilt werden.

In Sachen bedarfsorientierter Mindestsicherung gibt es erneut eine Rüge an die Stadt. Öfter werde die gesetzlich vorgeschriebene Bearbeitungsdauer von drei Monaten überschritten, dann sei die Höhe der Mindestsicherung immer wieder rechtswidrig bemessen oder rückgefordert worden. Im Bericht wird zwar die gute Zusammenarbeit der MA 40 mit der Volksanwaltschaft hervorgehoben. Allerdings gäbe es weiteren Optimierungsbedarf.

Auch bei der MA 35, die für Staatsbürgerschafts- und Niederlassungsverfahren zuständig ist, wurde die lange Verfahrensdauer bemängelt. Volksanwalt Peter Fichtenbauer erklärte, dass die gesetzliche Entscheidungsfrist von sechs Monaten "so gut wie überhaupt nicht" eingehalten werde, es vielmehr zu einer "grundsätzlichen Überschreitung" dieser Frist käme, sodass Dokumente, die fristgerecht eingereicht worden waren, ihre Gültigkeit im Laufe des Verfahrens verlieren.

Volksanwältin Gertrude Brinek bemängelte die fehlende Barrierefreiheit der Toiletten auf der Donauinsel. Die "Oktogone" sind durch den schmalen Weg als auch eine 12 Zentimeter hohe Stufe für Rollstuhlfahrer nicht zu benutzen; die neuen Behinderten-WCs waren aufgrund der Gehsteigkante auf der Floridsdorfer Brücke nicht erreichbar. Nach Einschreiten der Volksanwaltschaft wurde ein Etappenplan für die öffentlichen Toilettenanlagen vorgelegt und die Gehsteigkante auf der Floridsdorfer Brücke abgesenkt.

Ausweitung der Prüfkompetenz gefordert

Volksanwalt Kräuter forderte, dass auch ausgegliederte Rechtsträger wie die Wiener Stadtwerke Holding AG von der VA geprüft werden sollten. Er verwies auf positive Signale für eine notwendige Verfassungsänderung, die es im Zuge der Budgetdebatte von allen Fraktionen gegeben hätte. "Um allen Bürgern einen effektiven Rechtsschutz bieten zu können, ist eine Ausweitung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf private Rechtsträger, an denen Bund, Länder oder Gemeinden mit 50 Prozent beteiligt sind, unabdingbar", betonte Kräuter.

Seit Juli 2012 führt die VA präventiv auch Kontrollen in Einrichtungen durch, in denen es zu Freiheitsentzug kommt oder kommen kann. In Wien fanden bisher 263 dieser Kontrollen statt, unter anderem in Gefängnissen, Pflegeheimen, Psychiatrien oder Kasernen. Auch in der Justizanstalt Stein habe man geprüft, so Brinek. Bemängelt wurden dabei vor allem bei der Personalausstattung und der Versorgung der Häftlinge in der Nacht. Bei diesen "Präventivblicken" sie die Verwahrlosung des Häftlings, durch den die Justizanstalt Stein in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen gekommen sei, wäre der Kommission nicht zugänglich gewesen, so Brinek.

Der gesamte Bericht zum Download.