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Kein schöner Land für Dschihadisten

Von Clemens Neuhold

Politik

16 Verurteilungen alleine 2015. Die heimische Justiz geht härter gegen Terror-Sympathisanten vor als viele andere EU-Länder.


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Wien. Acht Monate für einen 14-Jährigen, der ein Bombenattentat auf den Westbahnhof plante; zwei Jahre für einen 17-jährigen IS-Rückkehrer mit zerfetzten inneren Organen; drei Jahre für einen 34-Jährigen, der sich als Dschihadisten-Taxler betätigte.

2014 klagte die Justiz zehn Personen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 278 an und verurteilte eine. 2015 kamen 21 Anklagen hinzu, 16 Personen wurden bereits verurteilt.

Nicht nur Gotteskrieger landen vermehrt vor dem Kadi, die von Österreich aus am unheiligen Krieg der Terrororganisation IS in Nordsyrien und im Nordirak teilnahmen. Noch öfter nimmt sich die Staatsanwaltschaft Personen vor, die nur mit dem IS sympathisierten. Das genügt in Österreich bereits für eine Anklage; ja es genügen Postings auf Facebook, wie eine Verurteilung am Dienstag am Landesgericht Krems zeigte.

Zehn Monate bedingt fasste ein 18-Jähriger aus, der via Facebook den IS in mehreren Postings guthieß. Das wird in Österreich bereits als Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung gewertet. Damit geht Österreich härter gegen Dschihadisten vor als viele andere EU-Länder.

Wie alle EU-Länder hat Österreich die Terrorismuskonvention des Europarates und der UNO unterzeichnet. "Die Vorgaben sind gleich, werden aber durch jedes Land ins eigene Recht umgesetzt und das verschieden streng. Österreich ist dabei einerseits in der gesetzlichen Umsetzung unter den strengsten Ländern, zusätzlich verfolgt auch die Rechtsprechung zu den Terrorparagrafen eine strenge Linie", sagt Justizsprecherin Dagmar Albegger.

Beispiel 1: In Österreich sind Personen, die sich in "Terrorcamps" ausbilden lassen, strafbar, in vielen Ländern trifft es nur die Ausbildner. Das bekam am Mittwoch der zweite Angeklagte in Krems zu spüren, der Tschetschene Magomed Z. Er soll 2013 eine halbjährige IS-Kampfausbildung in Syrien absolviert haben. Er bestreitet es.

Beispiel 2: Trifft eine Person einen Anwerber für terroristische Vereinigungen, macht sie sich strafbar. Allein der bosnischstämmige Prediger Ebu Tejma soll 14 Personen für den IS angeworben haben. Gegen sie alle und weitere Personen in seinem Umfeld kann somit ermittelt werden.

Beispiel 3: Finanziert man auch nur einzelne Terroristen, macht man sich in Österreich strafbar. Einen Zusammenhang mit einer konkreten Straftat muss es dabei nicht geben. Es kann für eine Anklage genügen, wenn eine der in Österreich angeklagten "Terror-Bräute" ihrem Liebhaber in Syrien 50 Euro schickt.

Beispiel 4: Neben der finanziellen Unterstützung kennen die heimischen Ankläger auch eine moralische. Wer in einer SMS-Nachricht schreibt, "ich stoße im nächsten Jahr zu Euch", unterstützt nach Auffassung der Staatsanwälte die Moral der Truppe, die sich auf menschlichen Nachschub freuen darf.

Die Staatsanwälte nennen das "psychische Unterstützung der Gruppenmoral". Sie beziehen sich dabei auf den Passus "Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung auf andere Weise" im Terrorismusparagrafen 278. Der in Dschihadisten-Prozessen höchst aktive Staatsanwalt Leopold Bien sieht darin eine "Generalklausel, die sämtliche Aktivitäten" für eine Terrororganisation umfasst.

Für die Rechtsanwälte der angeblichen Dschihadisten ist diese Generalklausel die härteste Nuss. Einer der am stärksten gebuchten Dschihadisten-Verteidiger ist Wolfgang Blaschitz. Aktuell vertritt er einen 30-jährigen Tschetschenen in Krems. Der Anwalt wettert gegen den Terrorismusparagrafen 278, weil er darin einen reinen "Gesinnungsparagrafen" sieht. Ihm fehlt dabei die konkrete Straftat. Beleg dafür, wie weit der Weg zwischen Verurteilung und konkretem IS-Terror sein kann: Neun Tschetschenen, die auf dem Weg zum IS noch nicht einmal die österreichische Grenze passiert hatten und verurteilt wurden. Der russische Staatsbürger wurde in der Nacht auf Mittwoch wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung sowie Besitzes von pornografischem Material zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Blaschitz hatte auf Freispruch plädiert.

Nach Syrien zum Freund gehen wollte eine 16-jährige Niederösterreicherin. Die Mutter verhinderte es. Blaschitz plädierte auf "jugendlichen Leichtsinn" und bekam sie frei. Pubertäre Irrungen fallen offenbar nicht automatisch unter die Generalklausel.

Ähnliche Irrungen dürften muslimische Bundesheer-Rekruten verleitet haben, auf Bildern mit dem Bundesheer-Imam den Zeigefinger hochzustrecken - eine vom IS missbrauchte Geste. Sie müssen keine Konsequenzen fürchten. Der Imam meint, das Symbol sei gängig unter Muslimen.