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Kein Schuldner wie jeder andere

Von Walter Hämmerle

Politik
Überraschung für Landespolitiker: Haftungen können schlagend werden. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hat ein Problem.

Auch die öffentliche Hand kann pleitegehen - die Folgen sind vor allem bei den Bundesländern rechtlich ungeklärt.


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Wien. Langsam, aber doch dämmert es den Kärntner Politikern, wie tief ihr Land im finanziellen Morast der Hypo-Pleite steckt. Das Land musste den Bund bitten, seine Refinanzierung abzuwickeln, weil sich Kredite massiv verteuerten. Sollten die Haftungen über 10 Milliarden Euro schlagend werden, wäre das Land insolvent.

"Wiener Zeitung": Jeder Schuldner läuft Gefahr, sich zu überschulden. Ist der Staat also ein ganz normaler Schuldner?Bettina Nunner-Krautgasser: Nein, der Staat ist sicher kein normaler Schuldner, hier gibt es Besonderheiten im Vergleich zu privaten Schuldnern. Der Staat kann etwa nicht liquidiert werden, das gilt auch Bundesländer oder Gemeinden, es gibt also eine gewisse Bestandsgarantie. Weiters sind Gebietskörperschaften zwar juristische Personen, sie haben aber aufgrund ihrer Strukturen eine gewisse Ähnlichkeit mit natürlichen Personen. Besonderheiten gibt es auch bei der Verwertbarkeit des Vermögens, obwohl gerade hier die Rechtslage sehr unklar ist. Der Staat ist also zwar insolvenzfähig, aber eben kein Schuldner wie jeder andere.

Warum verfügt Österreich über kein Insolvenzrecht für die öffentliche Hand? Immerhin musste das Land in seiner Geschichte schon fünf Mal den Offenbarungseid leisten.

Das stimmt und die Frage ist durchaus berechtigt. Gewisse Erfahrungen gibt es auch für den Bereich der Gemeinden: In den 30er Jahren hat es Insolvenzverfahren etwa gegen Donawitz, Pinkafeld oder Schwaz in Tirol gegeben, die mit einem Ausgleich oder Zwangsausgleich geendet haben. Was die Länder angeht, fehlen solche konkreten Erfahrungen. In den einschlägigen Lehrbüchern werden Bund, Länder und Gemeinden als insolvenzfähig bezeichnet, aber bei Bund und Ländern wurde das lange Zeit als "von eher theoretischer Natur" abgetan.

Wie würde man derzeit im Falle einer Insolvenz vorgehen?

Weil wir kein spezielles Insolvenzrecht für die öffentliche Hand haben, wäre eine Zahlungsunfähigkeit ein Fall für die "gewöhnliche" Insolvenzordnung. Die USA kennen in ihrem "Bankruptcy Code" das "Chapter 9", das ausschließlich von Gebietskörperschaften handelt. Bei uns gibt es nichts Vergleichbares, weil irrigerweise geglaubt wurde, für solche Vorkehrungen bestehe keine praktische Relevanz. Wir haben lediglich Sonderbestimmungen in der Exekutionsordnung für Gemeinden. Es ist allerdings fraglich, ob diese Sonderregelungen auf die Länder anwendbar sind, die Rechtslage ist deshalb unklar.

Worin müsste sich ein Insolvenzrecht für die öffentliche Hand von jenem für Privatpersonen und Unternehmen unterscheiden?

Brigitte Nunner-Krautgasser ist Universitätsprofessorin am Institut für Zivilverfahrensrecht der Universität Graz. Die 1968 geborene Grazerin ist Expertin für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie für  Staateninsolvenzrecht. Foto: privat

Im Paragraf 15 der Exekutionsordnung ist grob gesprochen der Grundsatz festgehalten, dass die Exekutionsführung die öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigen darf. Dieses Prinzip müsste man für die gesamte öffentliche Hand umsetzen. Klären muss man, welches öffentliche Vermögen verwertet werden darf. Wer darf einen Insolvenzantrag gegen die öffentliche Hand stellen: An sich kann dies jeder Insolvenzgläubiger und der insolvente Schuldner muss es. Im Fall der öffentlichen Hand wird diskutiert, ob dieses Recht bzw. diese Pflicht nicht auf den Schuldner beschränkt wird. Was ist ein Insolvenzgrund: Nur Zahlungsunfähigkeit oder reicht bereits Überschuldung? Und schließlich muss das Insolvenzziel geklärt werden. Dieses kann aufgrund der Bestandsgarantie nur auf Sanierung hinauslaufen, deshalb könnte man auch von einem Resolvenzverfahren sprechen.

Welche Folgen hätte eine Insolvenz ihres Bundeslandes für die Bürger?

Hinsichtlich der Länder gibt es ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus 1992, wonach der erwähnte Paragraf 15 der Exekutionsordnung die Exekution gegen Bund und die Länder nicht beschränkt. Der Zugriff könnte daher auch in einer Insolvenz sehr weit gehen; aber hier gibt es aufgrund fehlender rechtlicher Vorgaben viele Unsicherheiten. Stellt man auf die Notwendigkeit der Erhaltung der Funktionsfähigkeit ab, so sind sicher Polizei und Gesundheit nicht disponibel, in den USA waren etwa Unterstützungen für Kindergärten nicht sakrosankt. Geschützt ist alles, was zur Kerninfrastruktur der öffentlichen Hand gehört.

Anteile der Länder an Banken, Energieversorger, Immobilien etc. könnten alle verwertet werden?

Ja, grundsätzlich schon.

Alle reden von einem Insolvenzrecht für die Länder - was ist eigentlich mit dem Bund?

Auch der Bund ist grundsätzlich insolvenzfähig, allerdings haben wir die Besonderheit, dass bereits seit 2001 auf internationaler Ebene, insbesondere vonseiten des Internationalen Währungsfonds, über ein Insolvenzrecht für Staaten nachgedacht wird. Solche Regeln, wenn sie denn umgesetzt wären, würden wohl auch auf den Bund Anwendung finden. Es ist sicher sinnvoller, eine staatliche Insolvenz auf internationaler, zumindest europäischer Ebene zu regeln, als im nationalen Recht. Derzeit hat ein zahlungsunfähiger Staat die Rolle eines Bittstellers, der sich mit seinen Gläubigern einigen muss.

Zur Person

Brigitte Nunner-Krautgasser

ist Universitätsprofessorin am Institut für Zivilverfahrensrecht der Universität Graz. Die 1968 geborene Grazerin ist Expertin für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie für Staateninsolvenzrecht.