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"Kein Sinn, einander zu bekämpfen"

Von Bernd Vasari

Politik
© Stanislav Jenis

Eurocities-Chefin Anna Lisa Boni fordert, dass Städte bei Entscheidungsprozessen von Anfang an mit eingebunden werden.


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Wien. Mit der Unterzeichnung der "Wiener Deklaration" unterstrichen die europäischen Städte am Dienstag in Wien ihren Anspruch auf mehr Mitspracherecht in der EU. Auch Anna Lisa Boni, fordert mehr Macht für die Städte. Strategien auf ganze Länder auszurichten, hält die Generalsekretärin von Eurocities hingegen für falsch. Eurocities ist ein informelles Netzwerk von 140 größeren europäischen Städten zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch über kommunalplanerische Angelegenheiten und zur Lobby-Arbeit gegenüber der Europäischen Union.

"Wiener Zeitung": Frau Boni, was sind aus Ihrer Sicht die großen Herausforderungen für europäische Städte?Anna Lisa Boni: Eines der großen Themen ist die Arbeitslosigkeit. Städte spielen bei der Jobbeschaffung eine wichtige Rolle. Sie sind ein sehr wichtiger Interessensvertreter in der Job-Agenda. Um die Jobsituation zu verbessern, reicht es aber nicht, dass Städte versuchen, das Problem selbst in den Griff zu bekommen. Die Städte müssen zusammenarbeiten, es müssen Partnerschaften geschaffen werden. Wir versuchen eine gemeinsame Strategie zu implementieren, die für alle Städte passt.

Wonach richten sich derzeitige Strategien?

Derzeit richten sich Strategien - etwa zum Thema Beschäftigung - nach den Mitgliedsstaaten aus. Diese sind aber zumeist wirkungslos, weil sie die falschen Menschen treffen. Strategien für ganze Länder sind der falsche Weg. Wir müssen uns den lokalen Arbeitsmarkt ansehen und nicht ein ganzes Land. Das bringt nichts.

Sollen Städte den Ländern gleichgestellt werden?

Ja, heute sind es immer noch die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten, die entscheiden. Die Städte werden erst befragt, wenn alles schon entschieden ist. Nur dann ist es zu spät. Städte müssen von Beginn an Bord sein.

Das heißt: Die Kommission und die Mitgliedsstaaten ignorieren die Städte?

Jedes Land denkt vor allem an sich. Städte sind da viel kooperativer und offener. Sie sind empfänglich für die Zusammenarbeit mit anderen Städten. Sie sind auch viel ambitionierter als die Mitgliedsstaaten.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein gutes Beispiel ist die Umsetzung der vereinbarten Klimaziele. Die Städte haben Pläne und Strategien, um die CO2-Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Und sie setzen es auch um. Einige Mitgliedsländer können sich nicht einmal vorstellen, darüber nachzudenken.

Warum werden Städte derzeit zu wenig oder gar nicht in Entscheidungsprozessen miteingebunden?

Staaten haben immer Angst, dass man ihnen ihre Macht und ihren Einfluss streitig macht. Das ist aber nicht der Punkt. Wir wollen mit ihnen am selben Tisch sitzen. Redet mit uns, arbeitet mit uns.

Was zeichnet für Sie eine Stadt der Zukunft aus?

Die Stadt der Zukunft ist eine inkludierende, diverse und kreative. Sie zeichnet sich durch einen hohen Grad an Zusammenhalt und Bürgerpartizipation auch abseits von Wahlen aus. Die Nutzung des öffentlichen Raums und nachhaltige Formen von Mobilität sind ebenfalls Kernpunkte. In der Stadt der Zukunft leben zudem smarte Bürger.

Gibt es europäische Städte, die sich gegen mehr Kooperation wehren?

Die europäischen großen Städte wehren sich nicht gegen mehr Kooperation. Natürlich gibt es in einer globalisierten Welt auch Konkurrenz und Wettbewerb. Ich nenne es Koopetition. Konkurrenz und Kooperation. Als Stadt hat man doch keine andere Wahl. Es macht doch keinen Sinn einander zu bekämpfen.

Wo würden Sie eine rote Linie zwischen Konkurrenz und Kooperation ziehen?

Es gibt nicht eine Linie, sondern eine natürliche Dynamik. Wenn es darum geht, wo ein großes Unternehmen seinen Standort haben soll, wird man die Konkurrenz zwischen den Städten spüren. Danach könnten aber beide Städte davon profitieren. Die meisten Städte sind in unserem Netzwerk. Das zeigt ja, dass sie offen und solidarisch sind und voneinander lernen wollen.

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