Studie empfiehlt Anlagen auf Dach - Kritiker orten vertane Chance für Projekt.
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Wien. Solarenergie in Wien boomt - das beweist zumindest das enorme Interesse am ersten Bürger-Solarkraftwerk: Binnen 26 Stunden war das erste von insgesamt vier geplanten Projekten restlos ausverkauft. Jeder Privatinvestor erhält dabei eine jährliche Rendite von 3,1 Prozent - pro Anlage werden 200 Haushalte mit sauberem Strom versorgt.
Kein Thema für ein ähnliches Solarkraftwerk ist allerdings der neue Wiener Hauptbahnhof, wiewohl es dort - speziell auf dem Dach - riesige Flächen für Sonnenkraft geben würde. Trotz einer Expertenstudie, die die enormen Potenziale einer solchen Anlage aufzeigen, entschieden sich die ÖBB gegen ein solches Projekt. Der "Wiener Zeitung" liegt die bisher unter Verschluss gehaltene Studie von Arsenal Research (Austrian Institute of Technology) im Auftrag der ÖBB vollständig vor. Untersucht wurde dabei nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit - wobei fünf verschiedene Varianten geprüft wurden. Die billigste Variante käme dabei auf 950.000 Euro an Investitionskosten (Stand 2008), Solarpanels würden am Vordach und den flachen Bahnsteigdächern montiert.
Die Maximalvariante würde rund fünf Millionen Euro kosten und zusätzlich Flächen auf dem Rautendach, an der Fassade sowie den Lärmschutzwänden vorsehen. Laut Studie wäre die Fläche so groß, dass es sich dabei um die "größte Anlage Österreichs" handeln würde. "Insgesamt könnte eine Leistung von 768 Kilowattpeak installiert und damit jährlich 550MWh elektrische Energie erzeugt und ins Netz eingespeist werden. Damit könnten jährlich 250 Tonnen CO2 eingespart werden." Analog zum Bürger-Solarkraftwerk könnten damit mehr als 300Haushalte mit Sonnenstrom versorgt werden.
Ausstieg sogar mit Gewinn
Auch was die Wirtschaftlichkeit betrifft, geben die Experten grünes Licht: Je nach Finanzierungsmodell würden sich die Anlagen nach rund 20 bis 30 Jahren amortisieren; bei Contracting-Modellen, wo Energieerzeuger die Anlage bauen und in den ersten Jahren betreiben, werden nach 25Jahren sogar Gewinne in Höhe von 420.000 Euro errechnet.
Fazit der Studie: Eine Solaranlage am Hauptbahnhof wäre ein "Leuchtturmprojekt" für die ÖBB an einem zentralen Knotenpunkt und würde die Technik künftig auch auf anderen Bahnhöfen zum Einsatz bringen.
Denn international geht der Trend längst Richtung Solaranlagen auf Bahnhofsdächern: Größere Anlagen gibt es am Berliner Hauptbahnhof, in Zürich, Peking und Schanghai. In Bau befindet sich der neue Bahnhof im holländischen Utrecht, wo die österreichische Firma "Ertex Solar" das 3200 m² große Bahnhofsdach mit Solarpanels ausstattet (zum Vergleich: Das Hauptbahnhof-Dach wird 40.000 m² groß - das entspricht acht Fußballfeldern).
Dieter Moor, Marketing-Chef von "Ertex Solar", sieht Österreich und die ÖBB als Schlusslicht an, was diese Bahnhofstechnologie betrifft. Er berichtet, dass es zwar Verhandlungen mit ÖBB-Managern gegeben hätte, die allerdings geplatzt seien: "Es hieß dann, dafür sei kein Geld da. Es wurde also abgewürgt." Zwar sei es auch noch nachträglich machbar, Solarzellen zu installieren, allerdings sei das Ergebnis nicht dasselbe: "Sie ästhetisch zu integrieren, wäre nur vorab möglich gewesen. Denn wir ersetzen ja bestehende Baumaterialien", so Moor.
ÖBB "nicht überzeugt"
Die ÖBB schließen in einer knappen Stellungnahme zwar nicht aus, Solarpanels nachträglich doch noch zu installieren - sofern "sich die Wirtschaftlichkeit bessert". Anders als in der Studie ausgeführt, sei die Wirtschaftlichkeit laut ÖBB nämlich "nicht überzeugend". Druck machen die Wiener Grünen: "Fünf Millionen Euro kostet gerade einmal das Portal des Semmeringtunnels", moniert Umweltsprecher Rüdiger Maresch, der auf Gesamtinvestitionen von vier Milliarden für den Hauptbahnhof hinweist. "Und wenn die ÖBB nicht wollen, sollen sie die Flächen hergeben. Wie das Bürgerkraftwerk beweist, wird sich ein Betreiber finden."