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Kein Staatsstreich

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Deutschland hat gewonnen, das ist der allgemeine Tenor nach der langen Nacht in Brüssel. Ein paar deutsche Abgeordnete von CDU und CSU bleiben trotzdem bei ihrem Nein für neue Griechenland-Hilfen. Und viele andere Regierungschefs der Eurozone meinten, dass nun "die harte Arbeit" erst beginne. Tatsächlich ist die Vermeidung des "Grexit" von der griechischen Regierung teuer erkauft worden. Doch ist es tatsächlich so?

Der Umbau der staatlichen Verwaltung Griechenlands inklusive Rückbau des Staates wäre eine Aufgabe gewesen, an der bisher sogar konservative Regierungen gescheitert sind. Beides wäre sowieso notwendig gewesen, ausgerechnet der Linke Alexis Tsipras weiß das sehr genau.

Dass diese Reformen nun Bestandteil des dritten Hilfspaketes sind, mag für diese und künftige Regierungen in Athen hilfreich sein. Alles, was ausgemacht wurde, ist dringend notwendig, natürlich auch mit frischem Geld für Banken und Staat. Denn die "Brückenfinanzierung", von der nun gesprochen wird, wird eine ziemlich lange Brücke sein - der Privatisierungsfonds wird über mehrere Jahre aufgebaut, die Verkäufe haben noch längere Fristen.

Der "Deal", auch wenn er als "Staatsstreich" bezeichnet wird, umfasst beide Seiten der Notwendigkeiten Griechenlands: mehr Geld (und Zeit) sowie Reformen, um die Kaufkraft im Land zu steigern.

Das politisch Unsympathische daran ist die Art und Weise, wie Deutschland politisch vorgegangen ist. Ob Finanzminister Wolfgang Schäuble den teutonischen Bösewicht so übertrieben darstellen musste, ist nicht ganz klar. Dass Frankreich nicht eine stärkere Rolle zugedacht wurde, ist ebenfalls eher unklug.

Denn nun hat die Griechenland-Einigung den unangenehmen Beigeschmack, dass die Deutschen immer die Besserwisser sein müssen und neben sich in der Eurozone niemanden dulden.

Noch einmal: Der Inhalt der Einigung entspricht im Wesentlichen den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten, doch an der Form hapert es gewaltig.

Denn nun bleibt das Spardiktat Deutschlands übrig, obwohl es doch notwendig wäre, den Investitionscharakter in den Vordergrund zu stellen. Den "Grexit" nicht zuzulassen, war goldrichtig. Aber als Regisseure der Eurozone sind die Deutschen grottenschlecht.