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Kein Stockerlplatz für die Wirtschaft

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Glückskekse am laufenden Band: China erlebte drei Jahrzehnte lang ein geradezu sagenhaftes Wirtschaftswachstum. Foto: corbis

Chinas Börsenkurse auf Talfahrt, Wachstum sinkt im Olympia-Jahr. | Was ist dran an der Angst vor dem postolympischen Kater? | Wien. Höher, schneller, weiter. Das Olympische Motto galt in China zumindest im Vorfeld der Spiele: Insgesamt hat man 43 Milliarden US-Dollar investiert, vor allem in den Ausbau der Infrastruktur. Das ist eineinhalbmal mehr als die Ausgaben aller letzten fünf Olympischen Spiele zusammen. Ob das Olympische Feuer auch nach den Spielen Chinas Wirtschaft entflammt, darüber scheiden sich allerdings die Geister.


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Eine Umfrage bei deutschen Finanzmarktexperten kommt zu dem Ergebnis, dass die Olympia-Ausgaben keinen langfristigen Nutzen für Chinas Wirtschaft bringen. "Die Investitionen für die Spiele konzentrierten sich hauptsächlich auf Peking. Für die gesamte chinesische Volkswirtschaft ist der Sondereffekt zu gering", sagt Christian David Dick, Studienautor am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

Der erwartete Touristenansturm blieb während Olympia aus. Schuld waren laut Dick verschärfte Visa-Regelungen und die politischen Unruhen im Vorfeld. Aber auch ökologische und wirtschaftliche Schwierigkeiten lassen sich nicht hinter Chinas neuem Wohlstand und olympischen Sport-Palästen verstecken.

Olympia kein Spielverderber

Nach drei Jahrzehnten Wachstum dank Reform- und Öffnungspolitik droht China ein Ende des wirtschaftlichen Höhenfluges. Die Inflation im 1,33 Milliarden-Einwohner-Land steht mit 8,7 Prozent auf einem Zwölf-Jahres-Hoch. Der Hang-Seng-Index der Börse Hongkong hat seit Jahresbeginn rund 21 Prozent an Wert verloren und der Shanghai-Composite-Index sackte zum Auftakt der Spiele um 10,5 Prozentpunkte ab.

Die Börsianer befürchten offenbar den seit längerem von Ökonomen vorausgesagten postolympischen Kater. Demzufolge kühlt die Wirtschaft in Gastgeberländern nach dem Sportereignis ab, ausgelöst vom jähen Ende des wirtschaftsstimulierenden Baubooms. Viel zitierte Beispiele sind Seoul (1988), Barcelona (1992) oder Athen (2004). Doch die These vom Abschwung ist nicht unumstritten. "Es gibt keine Kausalität zwischen Olympia und wirtschaftlichem Abschwung", sagt Christian Helmenstein, Leiter des Instituts für Sportökonomie des IHS. "China trifft der Abschwung in den Hauptabsatzmärkten USA und EU sowie die hohen Rohstoff- und Lebensmittelpreise." In einem Land, das an ein BIP-Wachstum von 12 Prozent gewöhnt ist, würden sich 9 Prozent schon wie eine Krise anfühlen, so Helmenstein. Und die Börsenkurse seien trotz Rückgang immer noch auf einem historisch hohen Niveau.

Für den Experten steht fest, dass Olympia keinen gesamtwirtschaftlichen Trend kompensieren kann, sehr wohl aber Impulse auslöst. So profitiert die Bauwirtschaft meist im Vorfeld, der Tourismus im Nachhinein. Voraussetzung sei, dass die Planung von Beginn an in ein wirtschaftliches Gesamtkonzept eingebettet ist. "Für Infrastruktur und Veranstaltungsstätten muss es ein Nachnutzungskonzept geben", betont Helmenstein. Barcelona ist für ihn "eine große Erfolgsstory". Dass Spaniens Wirtschaft 1992 schrumpfte, sei nicht an Olympia gelegen. Es gab einen europaweitem Konjunktur-Rückgang und das Ende des Wiedervereinigungseffektes in Deutschland.