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Kein Talent zum Abgang

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Wenigstens diese eine Sache hat jeder Politiker in der eigenen Hand: Souverän die Umstände zu bestimmen, wie und wann er den Hut drauf haut. Manchen gelingt es sogar noch, im Abgang das Charisma von Gewinnern zu versprühen. Yanis Varoufakis etwa: "Minister no more" twitterte der polarisierende griechische Finanzminister beim Rücktritt nach gewonnenem Referendum.

Österreichischen Politikern fehlt meist dieses Talent zu einem Abgang, dem auch eine politische Botschaft innewohnt. Wir würden gerne, können es aber nicht. Statt Paukenschlag, Grandezza und - im besten Fall - ein politisches Vermächtnis verströmen heimische Rücktritte zumeist den miefigen Geruch von billigem Revanchismus und Wehleidigkeit. Und die moralische Empörung wirkt aufgesetzt, ja sogar angemaßt. All dies aus einem einfachen Grund: Meistens passt das Timing nicht.

Der Abgang Gerhard Steiers veranschaulicht das fast schon auf idealtypische Weise. Am Donnerstag nutzte der scheidende burgenländische Landtagspräsident seine Abschiedsrede zur Generalabrechnung mit Landeshauptmann Hans Niessl und dessen pannonischem Machtsystem. Am Ende warf er seiner SPÖ nicht nur das eigene Parteibuch hin, sondern nahm auch noch die Glocke des Vorsitzenden mit.

Dagegen lässt sich wenig vorbringen, Steiers Empörung hat nur einen Haken: Sie kommt spät, viel zu spät. Ein Politiker hat dann die größte Autorität, wenn er noch nicht abmontiert wurde. Im Wahlkampf, als die SPÖ ungeniert mit blauen Slogans auf Stimmenfang ging, wäre der richtige Zeitpunkt für Steier gewesen, den Sozialdemokraten in sich zu entdecken. Doch da war noch nichts zu hören. Die Empörung kam erst mit der eigenen Entmachtung. Politische Moral eignet sich nun einmal nicht als Währung zur Begleichung persönlicher Rechnungen.

In Österreich gelingt es den wenigsten Politikern, ihren Abgang mit einer Botschaft zu würzen. Die meisten können nicht loslassen - nicht einmal dann, wenn ihr Abgang längst beschlossen ist. Franz Voves verpatzte seinen Abgang durch Flip-Flopping. Michael Spindelegger gelang es wenigstens mit dem Rücktritt, Reste seiner politischen Würde zu retten (um diese kurz darauf für einen Oligarchenjob wieder an den Nagel zu hängen). Und Jörg Haider ("Bin schon weg, bin wieder da") verwandelte sogar die Drohung mit dem Rücktritt zu einem Witz.