Paris gelobt Umsetzung der EU-Grundrechte. | Kommissarin: "Frankreich hat Forderungen erfüllt." | Brüssel. Zwischen Frankreich und der EU-Kommission stehen die Zeichen im Roma-Streit auf Entspannung. Ein Strafverfahren gegen Paris wegen der Verletzung des Grundrechts auf Personenfreizügigkeit werde sie nicht weiter verfolgen, erklärte Justiz- und Grundrechtekommissarin Viviane Reding am Dienstag. Denn die französische Regierung habe genau das getan, was die Kommission verlangt hatte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Einen konkreten Gesetzestext für die vollständige Umsetzung der sogenannten Freizügigkeitsrichtlinie in nationales Recht und einen glaubhaften Zeitplan hätten die Franzosen geschickt. Das Paket war letzten Freitag kurz vor Mitternacht nach Brüssel übermittelt worden.
Damit zieht die Kommission ihre Verfahrensdrohung zurück, die sie Ende September in der Hitze des Gefechts mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgesprochen hat. Dessen kollektive Rückführung von tausenden Roma nach Rumänien und Bulgarien und die schriftliche Anweisung an die Behörden, "in erster Linie gegen Roma" vorzugehen, hatte eine ungewöhnlich scharfe Reaktion der Luxemburger Kommissarin Reding nach sich gezogen. Indirekt hatte sie Sarkozys Vorgehen gar mit den Nazi-Methoden während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Dort hatte der französische Präsident bei seiner Gegenattacke eingehakt, der Streit eskalierte beim EU-Gipfeltreffen Mitte September.
Taskforce für Roma
Doch schon Ende des Monats musste die Kommission ihre Diskriminierungsvorwürfe zurücknehmen, weil die entsprechende Dienstanweisung inzwischen durch eine neutrale ersetzt worden war. Nur noch ganz allgemein wurde die Polizei inzwischen angehalten, illegale Lager in großer Zahl aufzulösen.
Mit dem Rückzieher vom Dienstag scheint die Angelegenheit im Wesentlichen erledigt zu sein. Reding kündigte immerhin noch an, die Umsetzung des französischen Gesetzespakets genau überwachen zu wollen. Vor allem die Verfahren bei der konkreten Einzelfallprüfung jeder Abschiebung von EU-Bürgern und deren Einspruchmöglichkeiten müssten deutlich nachjustiert werden, hieß es.
Bis Ende des Jahres will die von Reding einberufene Roma-Taskforce in der Kommission herausfinden, wie die verheerenden Lebensumstände der meisten Roma in der EU verbessert werden könnten. Wie berichtet, waren die ersten Eindrücke von Sozialkommissar Laszlo Andor bei der EU-Romakonferenz letzte Woche in Bukarest ernüchternd. Rumänien, das Heimatland der größten Roma-Population in der Union, steht bei der Integration noch ganz am Anfang.
Und bei der letzten Überprüfung der Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie hatte die EU-Kommission bei nicht weniger als 14 Ländern Defizite festgestellt. Reding hat angekündigt, dass nach dem französischen Anlassfall auch andere Mitgliedstaaten mit Mahnbriefen aus Brüssel rechnen müssten.