Kairo - Als die amerikanische Luftwaffe ihre ersten Bomben über Afghanistan abwarf, gingen in der arabischen Welt Tausende auf die Straßen, um gegen die "ungerechte Rache" der Supermacht USA zu protestieren. Doch die meisten Regierungen der Region und auch viele Bürger zeigten ein gewisses Verständnis für die Anti-Terror-Kampagne der am 11. September tief getroffenen Amerikaner. Dieses Verständnis ist jedoch inzwischen aufgebraucht - vor allem seit Präsident Bush den Irak, Iran und Nordkorea zur "Achse des Bösen" erklärte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Selbst im Königreich Saudiarabien, dessen Beziehungen zum Iran und zum Irak nicht die besten sind, kann Washington nicht auf Unterstützung für eine Ausweitung des Anti-Terror-Krieges auf diese zwei islamischen Länder rechnen. Politische Beobachter in Kairo meinen außerdem, dass arabische Regierungen mit engen Beziehungen zu Washington innenpolitisch erheblich unter Druck geraten würden, falls die US-Regierung tatsächlich versuchen sollte, das Regime in Bagdad militärisch aus dem Sattel zu heben. Dazu gehören Jordanien, Saudiarabien und Ägypten.
Denn für den "Mann auf der Straße" in Amman oder Kairo wäre dies keineswegs ein weiterer Schritt zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, wie dies von einigen Politikern in Washington propagiert wird. Viele Araber sehen in den amerikanischen Drohungen in Richtung Bagdad eher den Versuch von Bush, alte Rechnungen zu begleichen und das im Golfkrieg unvollendete Werk seines Vaters zu vollenden. Der Terrorismus-Vorwurf ist für sie nur ein Vorwand. "Ich glaube, die Bush-Regierung weiß gar nicht, welchen Schaden ihr Image dadurch in den arabischen Ländern erleiden würde", meint ein ägyptischer Student. "Wenn sie den Irak angreifen, dann werden sie nicht nur die Islamisten dafür hassen, sondern auch die eher pro-westlich eingestellten Intellektuellen."
Die Araber hoffen, dass die EU mäßigend auf die Amerikaner einwirken kann. Sehr positiv nahm die arabische Presse deshalb den jüngsten Kommentar des britischen EU-Kommissars Chris Patten auf, der zur "Achse des Bösen"-Theorie erklärt hatte, "ich kann kaum glauben, dass das eine durchdachte Politik ist".
Auch was die völlig verfahrene Situation in den Palästinenser-Gebieten angeht, hoffen die Araber wieder auf die EU. Zwar weiß man auch in Kairo und Amman, dass ein dauerhafter Frieden in der Region ohne die Supermacht USA nicht möglich ist. Doch da eine kriegerische Auseinandersetzung mit Israel für die Araber heute schon angesichts des militärischen Kräfteverhältnisses nicht mehr in Frage kommt, bleibt ihnen kaum eine andere Wahl, als auf die Europäer zu setzen. Denn auf die Warnungen befreundeter Regierungen im Nahen Osten hört man in Washington nach Ansicht arabischer Beobachter schon lange nicht mehr.