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Kein Wettbewerb am Strommarkt

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

"Die Liberalisierung des europäischen Strommarktes brachte keinen Wettbewerb." Dies kritisiert mittlerweile auch der österreichische Energie-Regulator Walter Boltz. Lange vor ihm beklagten jedoch die Stromkunden den Fehlschlag. Der Traum vom grenzüberschreitenden billigen Strom konnte nicht umgesetzt werden, stattdessen haben sich Europas größte Versorger marktbeherrschend aufgestellt und diktieren die Preise.


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Wurde der Strompreis früher von den Behörden festgesetzt, so bestimmt ihn seit der Liberalisierung die Strombörse. Doch an der Leipziger Strombörse EEX, deren Preise auch für Österreich ausschlaggebend sind, werden nur sehr kleine Strommengen von den großen Konzernen - gestern waren es 180 Gigawattstunden - gehandelt. Das sind etwa 3% des täglichen deutschen Verbrauchs.

Deshalb sprechen Kritiker seit einiger Zeit von mangelnder Liquidität und Scheingeschäften. Denn die Realität des tatsächlichen Angebots und der Nachfrage würde keineswegs im Großhandelspreis abgebildet. Vielmehr hätten die Stromproduzenten über ihre Händler die Börse als probates Instrument der Preisbildung entdeckt.

Besonders skurril ist das so genannte Chefhändlerverfahren, das die Börse bei kleinen oder fehlenden Umsätzen anwendet. Dabei richtet sie für bestimmte Mengen Strom Preisanfragen an die Händler, um den Marktpreis zu schätzen. Es wird also gefragt, wie viel ein Käufer für etwa 200 Gigawattstunden Strom bezahlen muss. Und die Preisabfragen werden nur an die großen Händler gerichtet, die gleichzeitig die größten Anbieter sind. Den Kritikern wird von den Versorgern entgegnet: So funktioniert der Markt.

Doch so leicht sind die Bedenken nicht vom Tisch zu wischen. Erst im Sommer kam die EEX in die Schlagzeilen, weil die Preise am so genannten Terminmarkt ein Rekordhoch nach dem anderen erklommen. Von Preistreiberei, die vor allem den Stromriesen zugute kommt, war die Rede.

Die Vorwürfe kamen unter anderem vom Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick: "Die Preisbildung erfolgt in einer konzertierten Aktion." Jeder der vier großen Anbieter - Vattenfall, EnBW, RWE und EON, die 80% des deutschen Stromverbrauchs abdecken - erhöhte abwechselnd die Preise. So kamen historisch einmalige Anstiege zustande. Dass diese Oligopolbildung seitens der EU überhaupt zugelassen wurde, war laut Boltz der größte Fehler.

Auch spricht er von beunruhigenden Zeichen für die Kunden: "Der Wettbewerb geht zurück und die Preise gehen nach oben." Die Preisbildung an den Strombörsen sei extrem intransparent und funktioniere nicht, kritisiert Boltz, denn die großen Erzeuger seien in der Lage, die Preise zu manipulieren. Auffallend sei auch, dass die Großhandelspreise jeweils vor der Verlängerung größerer Abnahmeverträge steigen. Verantwortlich für die Marktmisere sei eine "Informationsschieflage". Die Börse sei gegenüber den Erzeugern hier erheblich im Nachteil. Obendrein hätte der verhandelte Netzzugang in Deutschland jeglichen Wettbewerb ausgelöscht. Schon seit zwei Jahren wird daran gedacht, auch bei Österreichs Nachbarn einen Regulator zu etablieren.

Boltz ist überzeugt, dass das Problem auf EU-Ebene gelöst werden muss: "Denn der europäische Strombinnenmarkt ist noch in weiter Ferne". Erst in zwei bis drei Jahren werde es soweit sein. Würde die Preisbildung an den Börsen dem Wettbewerb unterliegen, müssten die Preise um 20% niedriger sein. Derzeit sind den Regulierungsbehörden in puncto Energiepreis die Hände gebunden. Sie können lediglich beim Netztarif eingreifen.

Um die Marktmacht der Energieriesen aufzubrechen, schlägt Boltz als ersten Schritt die Trennung von Erzeugung, Übertragung und Vertrieb vor. Denn integrierte Unternehmen könnten ihre Position viel besser ausnutzen.