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Eine "Niederträchtigkeit" hätte Thomas Bernhard das wohl genannt. Denn just zum 30. Todestag des zu Lebzeiten gleichermaßen bedeutenden wie auch umstrittenen Dramatikers wurde bekannt, dass sein Name am Grab in Grinzing nur noch auf einem Papierstück zu lesen ist. Die Bronzeplatte, die dort in einem kleinen Schrein vorgesehen war, wurde bereits vor längerer Zeit entwendet. Wohl von Buntmetalldieben, möglicherweise auch von Bernhard-Afficionados mit Hang zur speziellen Morbidität - man weiß es nicht. Das dürfte auch bis auf weiteres so bleiben, denn der Halbbruder und Nachlassverwalter Bernhards, Peter Fabjan, hat keine Lust, die Metallplatte zu ersetzen: "Der Ersatz würde nur neuerlichem Entwenden an die Hand gehen", so Fabjan zur Austria Presseagentur. Also muss es wohl weiterhin ein Papierstück tun. Wenngleich Literaturfans möglicherweise einwenden würden, dass es vermutlich kein würdigeres Medium für das Grab des Ausnahmedramatikers geben könne, stellt sich schon die Frage, wieso man die Fledderei an dem Grab (das bis heute übrigens nicht einmal eine Einfassung hat) einfach so hinnimmt. Es gibt wohl dauerhaftere und würdigere Materialien als einen schnöden, kopierten Zettel. Materialien, die auch nicht ins Beuteschema von Dieben fallen und die einen - gerade als Nachlassverwalter eines Suhrkamp-Autors - auch nicht gleich ins finanzielle Verderben stürzen. So viel Respekt könnte - ja müsste - man Thomas Bernhard gerade zum 30. Todestag schon zollen.