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Keine Aussicht auf Entlassung

Von Astrid Wenz

Politik

Für den Mord an 51 Menschen in Moscheen muss der Christchurch-Attentäter lebenslang in Haft.


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Vier Tage lang waren in Christchurch vor Gericht die Opfer der Anschläge am Wort. Am Donnerstag wurde Brenton Tarrant in Neuseeland zu lebenslanger Haft ohne Chance auf frühzeitige Entlassung verurteilt. Der rechtsextreme Australier hat am 15. März 2019 in zwei Moscheen der Stadt Christchurch 51 Menschen erschossen, 50 weitere wurden teils schwer verletzt. Er übertrug die Tat per Livestream im Internet.

Vor der Urteilsverkündung nannte Richter Cameron Mander die Tat "unmenschlich" und "erbarmungslos". Das begangene Verbrechen sei so böse, "dass eine Inhaftierung bis zum Tod als nötige Strafe nicht einmal ausreicht".

Premierministerin Jacinda Ardern, die den Namen des Attentäters bis heute nicht öffentlich genannt hat, um ihm keine Publizität zu gewähren, zeigte sich nach dem Urteil "erleichtert". Für eine Tat wie es sie so in Neuseeland noch nie gegeben habe, habe der Attentäter nun ein noch nie dagewesenes Strafmaß erhalten. Tarrant ist der Erste, der in Neuseeland nach dem Terrorismusgesetz von 2002 verurteilt wurde und auch der erste lebenslang ohne Aussicht auf Entlassung Verurteilte in dem Pazifikstaat.

Rechtsextreme Ideologie

Neuseelands Medien berichteten nur spärlich über die Anhörung in Christchurch. Trotz Tarrants Verzicht, vor Gericht selbst eine Aussage zu machen, bestand die Sorge, ihm durch die Anhörung eine Bühne für seine rechtsextreme Ideologie zu bieten. Kurz vor den Anschlägen in Christchurch veröffentlichte Brenton Tarrant im Internet ein Manifest mit dem Titel "The Great Replacement" ("Der große Austausch"). Diese Verschwörungstheorie geht auf den rechtsnationalistischen französischen Autor Renaud Camus zurück. Darin ist die Rede von technokratischen Eliten, die Europas Bevölkerung gezielt durch Zuwanderer ersetzen wollen. Die Ursprünge dieser Theorie liegen in nationalsozialistischen Kreisen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch in der Identitären Bewegung werden ähnliche Ideologien vertreten. Auf der Website des österreichischen Ablegers nennt die Organisation das "statistisch belegbare demographische Phänomene", keine Verschwörungstheorien. Die Identitären werden vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als "rechtsextrem" eingestuft, ebenso vom deutschen Verfassungsschutz. Seit 2012 sorgte die Organisation immer wieder für Aufruhr, vor allem mit Verflechtungen zur FPÖ. Aber erst das Christchurch-Attentat führte dort zu öffentlicher Distanzierung.

Im März 2019 wurde eine Geldspende des Christchurch-Attentäters aus dem Jahr 2018 über 1500 Euro an den Chef der Identitären Bewegung Österreich, Martin Sellner, publik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) führte daraufhin in Sellners Wiener Wohnung eine Hausdurchsuchung durch und leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ein. Im Dezember 2019 kam das Oberlandesgericht Graz zu dem Schluss, dass die Hausdurchsuchung rechtswidrig gewesen war.

Abkehr von den Identitären

Mit dem E-Mail-Kontakt zwischen Tarrant und Sellner konfrontiert, verwies der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf die "gründlichen" Ermittlungen. Heinz-Christian Strache (damals FPÖ), erklärte, es werde "gegen jeden Extremismusverdacht vorgegangen". Im Laufe der Ermittlungen des BVT wurden einige FPÖ-Bezirksräte als Spender der Identitären identifiziert, der Kabinettschef Kickls soll in "intensivem" Kontakt zu Martin Sellner gestanden sein. Bundeskanzler Sebastian Kurz war die Reaktion seines damaligen Koalitionspartners zu lasch, er forderte ein Verbot der Verbindung identitärer Aktivitäten mit freiheitlichen Mandaten, auch auf Mitarbeiterebene. Strache gab dem Druck der ÖVP nach, die FPÖ wandte sich großteils von der Identitären Bewegung ab. Eine Ausnahme ist die Wiener FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel, die im September 2019 bei einem Gedenkmarsch der Identitären teilnahm.

Seit dem Bruch mit der FPÖ verlieren die Identitären in Österreich stetig an Zulauf, immer mehr ehemalige Unterstützer wandten sich ab. Einige Mitglieder haben schon erste Nachfolgeorganisationen gegründet, die FPÖ distanzierte sich bereits von Sellners neuem Projekt "Die Österreicher".