Der scheidende Chef des Wifo, Karl Aiginger, über "Österreich 2025".
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Wien. In der kommenden Woche wird Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, seinen Ruhestand antreten. Ab 1. September wird dann der ehemalige Rektor der WU Wien, Christoph Badelt, das Wifo leiten. Zum Abschied hinterlässt Aiginger ein großes Zukunftsprogramm, die Agenda "Österreich 2025". Das ist eine umfassende Gesamtschau in die Soll-Zukunft des Landes. Das Wifo nennt darin einige Kernbereiche, mit denen sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen müssen.
Thema Globalisierung: Laut Aiginger wird es hier für Österreich darum gehen, stärker in Wachstumsmärkte außerhalb Europas einzutauchen. Derzeit beläuft sich der Anteil dieser Exporte auf weniger als ein Drittel am gesamten Außenhandel. "Wir haben eine Nachbarschaft um Europa herum, die um etwa fünf Prozent wächst", sagt Aiginger. "Das zeigt auch, wie wichtig eine Stabilisierung dieser Regionen wäre, und da geht es nicht nur um Flüchtlinge." Am afrikanischen Markt sei Österreich fast gar nicht vertreten, sagt der Wifo-Chef. Tatsächlich liegt der Anteil bei nur rund 1,3 Prozent.
"Wir exportieren zu wenig Spitzentechnologie"
Der Außenhandel mit anderen EU-Staaten müsse sich zudem weiterentwickeln. "Es geht um eine Vertiefung. Wir liefern zu wenig Spitzentechnologie", sagt Aiginger. Dafür brauche es wiederum Investitionen bei Unternehmen, seit Jahren hat Österreich hier Aufholbedarf, was sich auch konjunkturell niederschlägt. Die Maschinen seien veraltet, sagt Aiginger, weshalb es auch schwierig sei, die (teure) Spitzenqualität zu produzieren.
Unvorhersehbar ist freilich, wie sich die EU in Sachen freier Warenverkehr entwickeln wird. Überwunden geglaubte Grenzwartezeiten für Lieferanten sind wieder zurückgekehrt. "Wenn wir die Integration rückabwickeln, führt das zu einem Wachstumsverlust für alle Länder. Es ist ein europäisches Problem. Am wenigsten wird das aber Länder mit großem Binnenmarkt betreffen, am stärksten kleine Länder wie Österreich. Wir zählen zu jenen Ländern, die von der Integration am meisten profitiert haben."
Thema Ungleichheit: Für die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, beeinträchtigt Ungleichheit das Wachstum. Ein zunehmender Unterschied zwischen den Markteinkommen belastet zudem die öffentlichen Haushalte aufgrund der erforderlichen Transferleistungen.
Denn erst durch diese Transfers wird in Österreich tatsächlich umverteilt, wie eine Studie des Wifo im Mai ergab. Nach Steuern und Abgaben passiert dies dagegen noch kaum, was wiederum mit der Architektur des Steuer- und Abgabesystems zu tun hat.
"Es braucht eine Senkung der Sozialabgaben für niedrige Einkommen. Man sollte gleichzeitig versuchen, die Gesamtabgabequote zu reduzieren, dazu braucht es eine Verwaltungsreform", sagt Aiginger. Nur wenn man die Abgabenlast insgesamt verringere, wäre die Bereitschaft gegeben, wichtige Umschichtungen innerhalb des Systems vorzunehmen. "Dann akzeptieren die Menschen auch, dass manche Senkungen durch Erhöhungen kompensiert werden, etwa bei Energieabgaben, Alkohol oder Tabak", meint der Wifo-Leiter. Es sei einfach vernünftig, so Aiginger, nicht Arbeit zu belasten, sondern jene Bereiche, in denen es Sekundärprobleme gibt. "Das habe ich bei der Energie mit den Emissionen oder bei Alkohol und Tabak mit der Gesundheit."
"Energiepreise müssen über Inflation steigen"
Was vernünftig ist, kann sich freilich dennoch als politisch schwer umsetzbar herausstellen. Bezieher niedriger Einkommen haben beispielsweise anteilsmäßig einen viel höheren Energieverbrauch, und sie haben auch wenig Geld, in energiesparende Maßnahmen zu investieren. Und sie rauchen auch mehr.
"Es ist schon richtig, dass sie eher betroffen sind. Aber sie sind es noch mehr, wenn sie in fünf Jahren erfahren, dass sie ihre Hoch-PS-Autos nicht mehr fahren dürfen", so Aiginger. Und genau das drohe. Denn eines sei klar: "Wenn Österreich seine Klima-Ziele erreichen will, dann müssen in fünf Jahren Autos mit fossilen Brennstoffen verboten werden. Und es ist die Aufgabe der öffentlichen Hand, das auch zu sagen."
Und sie muss Maßnahmen setzen, wie Aiginger fordert. "Die Energiepreise müssen jedes Jahr stärker steigen als der Verbraucherpreisindex." Nur so könnten Entkarbonisierungsziele erreicht werden. Allein an der Vorstellung, wie dies umgesetzt werden kann, wird klar, wie viel bis 2025 zu tun sein wird.