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Keine "blutige Nase" für Kim Jong-un

Von Michael Schmölzer aus München

Politik

US-Kongressabgeordnete sagen in München, dass sich das Weiße Haus von der Idee eines begrenzten Angriffs auf Nordkorea verabschiedet habe.


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München. Die atomaren Kapazitäten Nordkoreas stellen auch für die Gruppe von US-Kongressmitgliedern, die zur Münchner Sicherheitskonferenz gekommen war, ein enormes Bedrohungspotential dar. Washington befindet sich hier in einem Dilemma - wie die US-Politiker einräumten - da alleine China Einfluss auf Pjöngjang habe, aber zu wenig unternehme. Und das, obwohl Peking die aggressive Vorgangsweise von Diktator Kim Jong-un ebenfalls für gefährlich halte.

Eine "Strategie der blutigen Nase" gegenüber Pjöngjang werde in Washington trotzdem nicht mehr verfolgt, versicherte die demokratische Senatorin Jeanne Shaneen in München. Das habe Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster den Kongressvertretern ausdrücklich bestätigt.

Zuvor hatte es in Washington Streit gegeben, ob diese "Strategie der blutigen Nase" ein probates Mittel wäre, den jungen Kim Jong-un zur Räson zu bringen. Die Strategie sieht vor, Kims nächsten illegalen Schritt bei der Entwicklung seines Atomwaffenprogramms mit einem symbolischen Angriff zu beantworten. Der Angriff sollte so gewählt werden, dass er von Nordkorea nicht als Kriegsbeginn interpretiert werde. Kim sollte sich aber "eine blutige Nase holen", damit er einsehe, dass es die USA ernst meinten. So sollte der Diktator, von Trump "rocket man" genannt, an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Im Gespräch soll ein begrenzter Präventivschlag mit Atomwaffen gewesen sein. Die genauen Überlegungen Washingtons dazu sind nicht bekannt.

Der ursprünglich für den Posten des US-Botschafters in Seoul fix vorgesehene Korea-Experte Victor Cha protestierte gegen den Plan und wurde deshalb von der Trump-Administration nicht nach Südkorea geschickt. Zunächst hatte es geheißen, dass auch McMaster der "bloody-nose"-Fraktion im Weißen Haus angehöre. Cha gilt gemeinhin nicht als Weichling, er war unter George W. Bush Leiter der Asienabteilung im Nationalen Sicherheitsrat. 18 demokratische Senatoren warnten Trump in einem offenen Brief vor einem Präventivschlag gegen Nordkorea. Die Risiken einer nicht mehr kontrollierbaren Eskalation seien zu groß. Debattiert wurde, ob die obersten US-Militärs im Ernstfall einen Befehl zum atomaren Angriff verweigern könnten. Ex-General Robert Kehler, früher Kommandeur des Strategic Command, versicherte, dass "illegale Befehle" nicht ausgeführt würden.

Die Risiken der Strategie liegen auf der Hand: Nordkorea hat an der Grenze zum Süden unweit von Seoul zehntausende Geschütze aufgestellt; sollte Kim den amerikanischen Fausthieb auf seine Nase doch als Kriegserklärung interpretieren, wovon auszugehen ist, wäre das Leben von Millionen Menschen in Gefahr. Nicht zu vergessen die nordkoreanischen Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können und die zwar nicht zielgenau, aber flugfähig sind.