Das politische Österreich reagiert eher zaghaft auf den VW-Dieselskandal.
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Wien/Wolfsberg. Die Empörung über den Abgas-Manipulationsskandal von Volkswagen hält sich hierzulande, zumindest politisch, in Grenzen. Zwar haben die Grünen am Freitag eine Anzeige gegen VW wegen Umweltgefährdung eingebracht. Rückendeckung dafür von anderen Parteien oder den zuständigen Ministerien gibt es aber nicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Österreich ein Zulieferland ist. Überspitzt formuliert: Geht es den Deutschen Autoherstellern gut, geht es vielen heimischen Industriebetrieben auch gut.
"Wir haben mit der Klage ein Zeichen gesetzt, weil Umweltdelikte bisher als Kavaliersdelikte betrachtet werden", sagt Georg Willi, Verkehrssprecher der Grünen, zur "Wiener Zeitung". Deshalb habe man bei der Staatsanwaltschaft in Salzburg, dem Sitz der Porsche-Holding, Anzeige wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung und Beeinträchtigung der Umwelt eingebracht. Laut den Grünen sind geschätzte 363.000 Fahrzeuge von den manipulierten VW-Abgaswerten betroffen. Bei dieser Menge sei davon auszugehen, dass es zu einer vielfachen Überschreitung der Stickoxidwerte gekommen sei. Wenn sich Stickoxide mit Salpetersäure binden, verursachen sie sauren Regen. Willi wirft der Regierung naturgemäß vor, nicht entschiedener gegen VW vorzugehen.
"Es kann nicht folgenlos bleiben, wenn jemand in großem Stil in Österreich Manipulationen durchführt", heißt es auf Anfrage aus dem zuständigen Verkehrsministerium. Beim Verkehrsministertreffen am Donnerstag forderte Minister Alois Stöger (SPÖ) hier entsprechende Kontrolle - man verlasse sich darauf, dass der Konzern den Skandal gründlich aufarbeiten werde.
Ähnliches ist aus dem Umweltministerium zu hören, Minister Andrä Rupprechter (ÖVP) will künftig Abgasmessungen direkt auf der Straße statt wie bisher in einem Labor durchführen lassen. Von einer Klage gegen VW oder rechtlichen Maßnahmen ist aber in beiden Ministerien keine Rede. Das Verkehrsministerium verweist allerdings darauf, dass Autos der Euroklasse fünf, zu der auch die betroffenen VW-Dieselwagen gehören, seit August nicht mehr erstzugelassen werden dürfen. Das gilt aber nicht für Gebrauchtwagen.
Klagen gegen VW im Ausland
In anderen europäischen Ländern reagiert man rauer auf "Dieselgate". In der Vorwoche hat die Schweiz vorläufig die Zulassung betroffener Fahrzeuge verboten. Das Schweizer Bundesamt für Straßen hat eine entsprechende Weisung erlassen, mit der verhindert werden soll, dass weitere vom Manipulationsskandal betroffene Neu- und Gebrauchtwagen auf die Straße kommen.
In Frankreich hat die Justiz Vorermittlungen gegen VW eingeleitet und Stichprobenkontrollen angekündigt. Die italienische Kartellbehörde ermittelt wegen unlauteren Geschäftsgebarens gegen VW. Es wird ermittelt, ob die Verbraucher durch Angaben zu den Emissionen in Werbeeinschaltungen in die Irre geführt wurden.
Hierzulande hält man sich wohl auch deswegen mit verstärkten Kontrollen oder Ermittlungen zurück, weil Österreich als Zulieferland auch indirekt vom VW-Skandal betroffen ist. Laut Wirtschaftskammer sind 71.000 Arbeitnehmer in heimischen Zulieferbetrieben beschäftigt. Manche Autozulieferer erwirtschaften bis zu einem Drittel ihres Umsatzes mit VW. Entsprechend befürchtet man Auftragseinbußen. Doch auch ohne Sanktionen ist der Image-Schaden für VW beträchtlich, auch hierzulande. Laut Statistik Austria waren die VW-Verkaufszahlen im September um drei Prozent rückläufig. Im August, vor dem Bekanntwerden der Abgasmanipulation, gab es noch ein Verkaufsplus von 17 Prozent.
Für Agrana-Chef Johann Marihart sei der "Dieselmotor entzaubert". Er ortet nun Rückenwind für den alkoholhaltigen Biotreibstoff E10, der aus Getreide und Rüben gewonnen wird. Verkehrsminister Stöger sieht wiederum Chancen für heimische Betriebe im Bereich umweltschonender Verkehrssysteme.