Lediglich eine einzige Einigung brachte gestern das erste von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel initiierte Treffen zwischen Sozialpartnerspitzen und Regierung zur Pensionsreform: Die Gespräche werden fortgesetzt - und zwar am Mittwoch. Auf jeden Fall bis dahin wird die Gewerkschaft ihre Aktionen aussetzen. Annähernd außer Streit stehen die Eckpunkte einer langfristigen Harmonisierung der Systeme. Das einzige Angebot seitens der Regierung war die von Vizekanzler Herbert Haupt geforderte Sonderregelung für Schwerstarbeiter. Doch das reicht dem ÖGB nicht, der vor allem die Frühpensionen und die Pensionsverluste als Knackpunkte sieht.
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"Es gibt keine Lösung, aber eine Fortsetzung des Dialogs", verkündete Schüssel, als er nach dem vierstündigen Gespräch mit Haupt, ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch, AK-Chef Herbert Tumpel, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Landwirtschaftskammer-Präsident Rudolf Schwarzböck vor die JournalistInnen trat. Der Kanzler lobte die Bereitschaft aller Gesprächsteilnehmer, "das Ganze der Republik in den Vordergrund zu stellen".
Die Formel 65/60:45:80 steht
Morgen, Mittwoch, sollen die Gespräche fortgeführt werden. Dabei wird es um Detailfragen gehen. Die groben Eckpunkte der Harmonisierung sind gestern abgesteckt worden und stehen annähernd außer Streit. Genaugenommen die Formel 65 bzw. 60 Jahre Regelpensionsalter: 45 Arbeitsjahre: 80 Prozent Nettoersatzrate sowie ein individuelles Pensionskonto. Die Harmonisierung der Systeme muss allerdings "Zug um Zug begonnen werden", forderte Verzetnitsch.
Noch "keine Einigung und keine Ansätze" gebe es bei den aktuellen Pensionsreform-Maßnahmen. Als wesentliche Knackpunkte sieht der ÖGB-Chef die Frühpensionen und die Pensionsverluste.
Eine "ganz wichtige Annäherung war, dass wir die Zielgröße der Pensionsreform grundsätzlich erkannt haben", lobte Tumpel. Das Pensionskonto sei ein Teil davon. Für ihn sei vor allem der Aufwertungsfaktor für lange zurückliegende Beitragszahlungen ein wesentlicher Punkt. Zu einer Entwertung älterer Beiträge dürfe es nicht kommen. Grundsätzlich zufrieden zeigte sich Verzetnitsch mit der von Haupt geforderten Schwerstarbeiterregelung. Er wolle aber "ein umfassendes Konzept". Im Rahmen der Aufwertung will der ÖGB-Chef nicht nur etwa Kindererziehungszeiten oder Präsenz- und Zivildienst, sondern auch Arbeitslosigkeit und Studium berücksichtigen.
Neben Verzetnitsch und Tumpel sprach sich auch Leitl für die Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage aus. "Wir machen Tempo, wir verzögern nicht", zeigte sich der WK-Präsident über den weiteren Gesprächstermin erfreut. Wie Haupt ankündigte, sollen Experten bis morgen die Knackpunkte beleuchten. "Es ist klar, dass wir das Gleiche wollen, aber nicht das Gleiche sehen", so der Vizekanzler.
Über Terminfragen sei nicht gesprochen worden - weder über den 4. Juni, an dem die Pensionsreform im Nationalrat beschlossen werden soll, noch über den 30. September - bis dahin soll der Beschluss nach Ansicht der Sozialpartner zurückgestellt werden. Gerüchten zufolge könnte ein Beschluss aber auf den 14. Juli verschoben werden.
Im heutigen Budgetausschuss "wird man erkennen, ob die Bereitschaft zu Änderungen besteht", erklärte Verzetnitsch, der eine Verschiebung des für heute geplanten Beschlusses der Pensionsreform fordert. Sollten die Koalitionsparteien trotzdem abstimmen lassen, könne man "davon ausgehen, dass die gewerkschaftlichen Aktivitäten nicht enden", betonte der Gewerkschafts-Vorsitzende gegenüber der "Wiener Zeitung". Vorerst sind allerdings alle gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen ausgesetzt.
Heute Nachmittag wird der ÖGB in einer Sitzung des Bundesvorstands die Gespräche am Runden Tisch bewerten und das weitere Vorgehen beraten.