Studiengebühren verfassungswidrig. Parteien legen sich nicht fest, ob diese bleiben oder nicht. | Gibt es bis Februar kein neues Modell, werden die Gebühren ganz abgeschafft.
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Wien. Wenn die Regierung sich bis 29. Februar 2012 nichts einfallen lässt, wird es gar keine Studiengebühren mehr geben. Soweit die Rechtslage. Damit bringt das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), der die Studiengebühren als verfassungswidrig einstuft, neuen Zündstoff in ein altes Streitthema der Koalition.
Der Hintergrund: Bisher mussten nur jene zahlen, auf die keine der zahlreichen Ausnahmen zutreffen (siehe Wissen). Der Verfassungsgerichtshof kritisierte nun, das inzwischen aufgehobene Gesetz würde nicht präzise genug regeln, wann man zahlen muss. Denn seit der Umstellung von Diplomstudien auf Bachelor und Master gibt es keine Studienabschnitte mehr - doch genau darauf beziehen sich die Gebührenregelungen. Bis Ende Februar müssen sich SPÖ und ÖVP daher auf ein neues Gebührenmodell einigen, ansonsten würden diese komplett abgeschafft und den Unis entfielen Einnahmen in Millionenhöhe.
ÖVP: Druck auf SPÖ von der Bevölkerung
Die Positionen der Parteien sind bekannt: Die SPÖ ist gegen Studienbeiträge, die ÖVP dafür. Doch wie kompromissbereit die Koalitionspartner sind, darüber gab man sich auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bedeckt. Man wolle das Gesetz, das 2008 aus einer "Husch-Pfusch-Aktion" von SPÖ, FPÖ und Grünen beschlossen wurde, "reparieren", sagte ÖVP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager. Sie fordert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Studiengebühren mit Ausbau der Stipendien. Nicht nur die ÖVP, sondern Unis, Studierende sowie die Bevölkerung seien für Studiengebühren und würden "Druck auf die SPÖ ausüben". In Richtung SPÖ sagt Cortolezis-Schlager diese sei "nicht gut beraten zu blockieren", denn das gehe auf Kosten von sozial Schwächeren. Und was, wenn sie es doch tut? Bisher habe man am Ende der Verhandlungen "immer das Ziel erreicht", so die Sprecherin. Bei der SPÖ formuliert man sehr vage: Jenen, die "ernsthaft studieren wollen", werde man "keine finanziellen Hürden in den Weg legen", so SPÖ-Bildungssprecherin Andrea Kuntzl.
Badelt: Gebührenentfall nicht verkraftbar
Wenn es keine Einigung mit der ÖVP zur Reparatur des Modells gibt, werde es eben "gar keine Studiengebühren mehr geben". Die Unis dürfte das nicht freuen: Durch das am Donnerstag veröffentlichte Erkenntnis des VfGH entsteht für die Universitäten bereits ab Beginn 2012 eine Finanzierungslücke in Millionenhöhe, die für die Unis "nicht verkraftbar", sei, schreibt Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien in seinem Blog. Die Regierung solle sich diesem Thema "so rasch wie möglich annehmen" damit "die unhaltbare finanzielle Situation der Universitäten nicht noch weiter verschärft" werde.
Wissen: Studiengebühren
Die Regelungen für die Studiengebühren gelten seit dem Sommersemester
2009. Demnach zahlen nur jene den Studienbeitrag in Höhe von 363,36
Euro, die die vorgesehene Mindeststudiendauer pro Studienabschnitt plus
zwei Toleranz-Semester in mindestens einem ihrer Studien überschritten
haben. Keine Studiengebühr bezahlen müssen Österreicher und EU-Bürger, die innerhalb dieser Frist liegen.
Mögliche Gründe für einen Erlass der Studienbeitragspflicht sind:
Behinderung des Studiums für zumindest zwei Monate durch Krankheit oder Schwangerschaft.
Betreuung von im eigenen Haushalt lebenden Kindern bis zum 7. Lebensjahr.
Berufstätigkeit zumindest in der Höhe der Geringfügigkeitsgrenze (374,02 Euro monatlich).
Studenten mit mindestens 50-prozentiger Behinderung (Behindertenausweis).
Präsenz- oder Zivildienst, wenn dafür mehr als zwei Monate pro Semester verwendet werden.