Die Ratingagentur Standard&Poors hat Irlands Bonität herabgestuft. Das hat schlagartig die Schuldenkrise der Eurozonen-Peripherieländer ("Euro-Krise") ins Bewusstsein zurückgerufen. Die Iren, als "keltischer Tiger" einst Export-Musterschüler, haben zwar rasch wie kein anderes Land auf die Probleme reagiert und einen radikalen Sparkurs eingeschlagen, der bereits ins zweite Jahr geht. Die grüne Insel hat aber ein massives Problem - die Kosten für die Rettung ihrer maroden Banken erweisen sich zusehends als Fass ohne Boden.
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Die harsche Kritik der Iren an der Entscheidung der Ratingagentur ist verständlich, weil sie dem Land hohe Kosten verursacht und die Refinanzierung der Schulden erschwert. Sie ist aber unangebracht: Schließlich war den Ratingagenturen nach dem Ausbruch der Finanzkrise stets vorgeworfen worden, dass ihre Bewertungen bestenfalls als Nachlaufindikator taugten: Statt also Probleme bei Staaten, Firmen oder Finanzprodukten frühzeitig anzuzeigen, hätten die Ratingagenturen ihre Noten erst revidiert, als die Kalamitäten unübersehbar waren.
Es ist also ein Fortschritt (und ihr eigentlicher Job), wenn eine Ratingagentur rechtzeitig auf Risiken hinweist. Und es ist ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein, wenn sich Standard & Poors weigert, Bilanzierungstricks zu akzeptieren, welche die Rettungskosten aus dem irischen Schuldenstand ausgliedern - auch wenn das nach Eurostat-Regeln legitim sein mag. Schließlich ist die Euro-Krise überhaupt erst durch Tricksereien und falsche Zahlen (der Griechen) akut geworden.
Nicht letzter Rückschlag
Die Einschätzung der Situation hat sich durch das Irland-Thema unterdessen nicht geändert: Die Akutphase der Krise hat die Eurozone überstanden: ein Bankenkollaps oder eine Staatspleite eines Eurolandes konnte vermieden werden. Griechenland bleibt weiterhin als einziges Land von den Finanzmärkten ausgeschlossen und auf fremde Hilfe angewiesen - dass Portugal vor wenigen Tagen ohne Probleme und ohne bedrohliche Zinsaufschläge Staatsanleihen platzieren konnte, ist ein positives Signal. Die Griechenland-Probleme waren somit ein Schuss vor den Bug, der dazu geführt hat, dass die Länder ihre Sparanstrengungen verschärft und Europas Institutionen einen längst überfälligen Reformkurs eingeschlagen haben.
Für eine völlige Entwarnung wäre es aber viel zu früh. Die Sanierung der Staatsbilanzen ist ein steiniger Weg, der viele Jahre (wenn nicht Jahrzehnte) dauern wird. In vielen Ländern sind die Sparbemühungen mit großen Unsicherheiten behaftet - die Versuchung für Regierungen, aus innenpolitisch motivierten Gründen die Zügel schleifen zu lassen, ist groß. Rückschläge kann es also immer wieder geben.