Zum Hauptinhalt springen

"Keine Extrawürste im U-Ausschuss für Minister"

Von Katharina Schmidt

Politik

Berliner U-Ausschuss-Experte: Was Österreich von Deutschland lernen kann.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien/Berlin. Der Entwurf liegt seit dem Jahr 2009 in den Schubladen der Klubs im Parlament. In regelmäßigen Abständen flammt die Debatte über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht wieder neu auf, zuletzt im Streit um das Beinahe-Aus des Korruptions-U-Ausschusses. Bewegung in der Sache sucht man dennoch vergeblich.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz (Jahrgang 1946) war von 1990 bis 1998 Chef des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. 2002 hat der Rechtsanwalt mit einer Arbeit über das Untersuchungsausschussgesetz promoviert.
© © Deutscher Bundestag /Lichtblick/Achim Melde

Mit der geplanten Regelung nach deutschem Vorbild hätte die Regierung die Opposition vergangene Woche nicht mit einem Fristsetzungsantrag erpressen können. "So etwas geht hier gar nicht - die Mehrheit kann nicht einfach einen Untersuchungsausschuss beenden", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete und U-Ausschuss-Experte Dieter Wiefelspütz. In Deutschland kann ein Viertel der Abgeordneten einen U-Ausschuss einsetzen, auch gibt es starke Minderheitenrechte im Gremium selbst. Etwa können Zeugenladungen nach dem Reißverschlussverfahren beschlossen werden, die Parteien also - je nach ihrer Größe - abwechselnd Auskunftspersonen benennen. "Die Mehrheit kann einiges selbst regeln, aber nicht so, dass die Minderheit hinten runterfällt - sie muss im Umfang ihrer Minderheitsposition mitbedacht werden", so der Experte.

"Minderheitsrecht ohne Gang zu Gericht zahnlos"

So weit war man hierzulande auch schon. Gespießt hat es sich zuletzt an der Frage, wer bei Unstimmigkeiten zwischen den Ausschussmitgliedern entscheiden soll. In Deutschland kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Zum Beispiel, wenn wie zuletzt in Österreich über die Aktenlieferungen gestritten wird. In Österreich haben sich vor allem SPÖ und FPÖ gegen einen Gang vor den Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, mit dem Argument, dass dies eine unzulässige Aufweichung der Gewaltenteilung darstellen könnte. Das sieht Wiefelspütz nicht so: Ein Minderheitsrecht ohne die Möglichkeit, im Streitfall ein Gericht anzurufen, sei ein zahnloses Instrument. Alleine die Möglichkeit würde schon Versuche der Mehrheit, die Minderheit unterzubuttern, verhindern.

Auch die Angst, dass das Parlament durch parallele U-Ausschüsse überfordert werden könnte, wenn die Einsetzung ein Minderheitenrecht ist, teilt Wiefelspütz nicht. Pro Wahlperiode gebe es in Deutschland ein bis zwei Untersuchungsausschüsse, jeweils ein Mal werde das Gericht angerufen. Generell sei das deutsche Minderheitsrecht eine "vorbildhafte Sache, die ich nur jedem Rechtsstaat empfehlen kann". Denn "was haben Sie davon, wenn U-Ausschüsse nur mit Mehrheit beschlossen werden können? Mehrheitsparteien sind die Schutztruppe der Regierung und halten selbst bei Missständen den Deckel drauf", sagt er zur "Wiener Zeitung".

Auch, was die Ladung von Regierungsmitgliedern betrifft, ist die Regelung in Deutschland klar. Erst am Donnerstag hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem U-Ausschuss zum Atommüll-Endlager Gorleben ausgesagt. Angesprochen auf den Zeugenschwund und den Streit um die Ladung von Kanzler Werner Faymann in Wien meint Wiefelspütz: "Es wäre in Deutschland völlig undenkbar, dass sich jemand weigert, vor dem Untersuchungsausschuss zu erscheinen oder dass das hintertrieben wird." Und: "Da gibt es keine Extrawurst. Es liegt nicht im Belieben eines Ministers oder eines Kanzlers, ob er kommt oder nicht." Auch das Erscheinen von Zeugen kann in Deutschland vor Gericht erzwungen werden.

Rauer Ton im U-Ausschuss auch in Deutschland

Immerhin: Zumindest die Gepflogenheiten, was den Umgang mit Zeugen betrifft, dürften in Deutschland ähnlich ruppig sein wie mitunter in Österreich. Der U-Ausschuss "ist Teil des Parlaments und da geht es nun auch einmal robust zu", sagt Wiefelspütz. "Auch gegenüber der Kanzlerin ist der Ton rauer -aber die weiß sich auch zu wehren."