Traditionsmarke muss 200 Klaviere mehr verkaufen. | Verkaufszahlen um fünf Prozent höher. | Wiener Zeitung: Bösendorfer schreibt seit Beginn der Jahrtausendwende rote Zahlen und hat 2007 über zwei Mio. Euro Verlust gemacht. Warum hat Yamaha einen derartigen Sanierungsfall überhaupt gekauft?
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Yoshichika Sakai: Yamaha will zu den Spitzenmarken im Klavierbau gehören und anerkennt Bösendorfer als einzigartig. Ein Bösendorfer-Flügel beruht auf einer völlig anderen Bauweise als ein Yamaha. Yamaha hat einen starken Klang, Bösendorfer ist subtil und sensibel, sehr menschlich. Also muss dieser Klang Menschen ansprechen, die ihn lieben. Das macht einen Bösendorfer zwar zu einem Nischenprodukt, aber eine Nische, über die man auf keinen Fall hinwegsehen sollte.
Zudem sind wir nicht so weit entfernt von der Wiener Tradition wie Sie vielleicht meinen. Yamaha erzeugt Blasinstrumente für die Wiener Philharmoniker.
Auch Louis Vuitton musste von der Taschenmanufaktur zum Weltkonzern werden. Bösendorfer fertigt 300 Flügel jährlich von Hand. Kann man mit dieser Produktionsweise heute überleben?
Zum Vergleich: Louis Vuitton hat sehr teure Taschen, aber auch Schlüsselanhänger für 60 Euro, verkauft also Massenware. Hermes verkauft keine günstigen Schlüsselanhänger, aber die Produkte können alle verwenden. Ein Yamaha-Klavier kann nicht jeder benutzen, aber wir bauen 90.000 Stück im Jahr. Ein Bösendorfer-Flügel wird hingegen individuell angefertigt. Er ist überhaupt kein Massenprodukt. Und es dauert länger, sich auf einem Bösendorfer einzuspielen als auf einem Yamaha. So lange es diese Käufer gibt, wird die Marke überleben.
Yamaha hat nach dem Verkauf durch die Bawag im Jänner angekündigt, den Turnaround binnen drei Jahren zu schaffen. Was haben Sie bisher gemacht?
Von April bis Juli haben wir fünf Prozent mehr Klaviere verkauft als im Vorjahreszeitraum. Wir haben in Großbritannien, wo es in den letzten Jahren kein Geschäft gab, einen Vertriebsvertrag mit dem US-Klavierbauer Kimball abgeschlossen, der aggressiv vorgeht. Seit Juni kann man Bösendorfer-Flügel bei Harrods kaufen. Und wir haben einen Vertrieb in Tokio gegründet, Bösendorfer Japan.
Eine reine Vertriebsfirma?
Ja. Der Vorgänger ist während der Verkaufsverhandlungen pleite gegangen. Da Bösendorfer 15 Prozent seines Geschäfts in Japan macht, brauchten wir einen Ersatz. Also haben wir eine eigene Vertriebsfirma eröffnet, auch um das Japan-Geschäft auszubauen.
Wie viel hat das gekostet?
Die Firma hat ein Eigenkapital von 1 Mio. Euro, die Investition war aber höher.
Konkret: Wie hoch war die Investition?
Sie war jedenfalls höher.
Was haben Sie noch gemacht?
Als ich nach Wien kam, hatte ich das Gefühl, Bösendorfer hatte seine Identität verloren. Zu wissen, wer man ist, ist das Rückgrat eines Betriebs. Wir haben daher begonnen, über die Firmenphilosophie zu sprechen und kamen zum Slogan: "Der Klang, der berührt." Wir fühlen uns darin Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft verpflichtet.
Sie haben keine Mitarbeiter abgebaut. Was ist Ihre diesbezügliche Philosophie?
Am Anfang haben mir Berater die Tür eingerannt. Sie wollten mir sagen, wie ich mehr Profit machen und Produktion und Vertrieb verbilligen kann. Ich habe nichts davon gemacht. Wenn dieses Unternehmen durch Einsparungen seinen Charakter ändert, ist das Produkt nicht mehr dasselbe. Wir können nur das Geschäft steigern.
Es gibt Berichte, dass Bösendorfer die Produktion nach Japan verlagern will.
Aber das wäre einfach dumm! Eine dumme Idee! Wir gehen nicht nach Japan oder sonstwohin in Asien, um Bösendorfer-Flügel zu bauen, das wären ja nicht dieselben Flügel. Wir haben die Leute, die diese Klaviere bauen können, hier.
Sie schließen also eine Produktionsverlagerung aus?
Eine Verlagerung der Produktion kommt nicht in Frage.
In Wiener Neustadt werden derzeit 300 Flügel pro Jahr von 150 Mitarbeitern produziert. Wie viele Flügel möchten Sie produzieren?
Wir könnten hier jährlich 500 Flügel produzieren. Wenn wir so viele verkaufen, wäre ich sehr glücklich.
Wäre Bösendorfer dann profitabel?
Wir wären schon in guter Form, wenn wir 100 Flügel mehr verkaufen würden. Unsere Flügel kosten zwischen 100.000 und 300.000 Euro und wir verkaufen derzeit um 40 Millionen Euro. Zusätzliche 20 Millionen wären gut. Sobald wir 200 zusätzliche Flügel verkaufen, werden wir in einem sehr guten Zustand sein.
Sind Sie zufrieden mit Ihrem Verkaufsteam?
Den Verkauf zu verbessern ist oberste Priorität. Wir haben 100 Vertriebspartner weltweit, das sind nicht zu wenig. Vielleicht müssen wir uns anschauen, ob wir das richtige Vertriebsnetz haben. Denn die Frage ist, wie gut die Händler mit den Kunden kommunizieren. Sie müssen die zusätzlichen Kunden, die sich für einen Bösendorfer interessieren, erkennen können.
Welche Kunden wollen Sie verstärkt ansprechen?
Privatkunden, die diesen Klang verstehen und die gerne Klavier spielen, die Mozart und Schubert lieben. Und Konzert-Pianisten.
Was wurde unter Ihren Vorgängern falsch gemacht?
Der Klaviermarkt in Europa und den USA ist im Unterschied zum asiatischen ein reifer Markt: Es reicht nicht, ein besonderes Klavier zu produzieren und das in einen Schauraum zu stellen. Des weiteren habe ich im Haus mangelnde Transparenz geortet etwa haben die Mitarbeiter über die Medien erfahren, was im Unternehmen vorgeht. Das versuche ich zu verbessern.
Konkurrent Steinway dominiert die Konzertsäle. Wie wollen Sie dagegen ankommen?
Viele Konzerte werden von Steinway gespielt. Da sich Deutschland nach dem Krieg schneller erholte, konnte Steinway früher aufgebaut werden. Auch mag ein Steinway lebhafter klingen. Aber die Stärke eines Bösendorfer ist sein subtiler, persönlicher Klang, der ideal ist für Kammermusik, Liedbegleitung und Wiener Klassik.
Zur Person:Yoshichika Sakai, geboren 1953 in Gifu, Japan, studierte Rechts- und Politikwissenschaften an der Universität Nagoya. Sakai begann seine Karriere 1976 bei Yamaha in der Abteilung Keyboards und und avancierte bis 2003 zum Leiter von Yamaha Skandinavien und später Großbritannien. Seit Jänner ist er Geschäftsführer von Bösendorfer Wien. Der Hobby-Klavierspieler ist verheiratet und hat zwei Töchter.