400 Jahre Gartengestaltung zeigt die Österreichische Nationalbibliothek. Die Schau zeigt Grünflächen im Spiegel der Politik.
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Gartengestaltung ist ein Spiegel von Politik und Gesellschaft. Dieser Eindruck lässt sich beim Rundgang durch die bis 5. November laufende Sonderausstellung "Von Gärten und Menschen: Gestaltete Natur, Kunst und Landschaftsarchitektur" in der Österreichischen Nationalbibliothek gewinnen.
Die Schau bietet kein echtes Grün, sondern faszinierende Gartenansichten. Zu sehen sind handkolorierte Grafiken, historische Pläne, Ansichtskarten, Fotos, Lehrbücher und andere seltene Werke zur Geschichte der Gartengestaltung. Die Abbildungen zeigen Beispiele von 400 Jahren Gartenkunst in Österreich und darüber hinaus, von Italien und England bis Frankreich und Belgien. Angelegt wurden die Gärten und Parks unter Herrscherpersönlichkeiten wie Maria Theresia, Ludwig XIV und Maximilian von Mexiko, deren Interesse für die Thematik sich in ihren Büchersammlungen spiegelt. Die 130 Exponate zu 70 Gärten aus den Beständen der ÖNB und der Universität für Bodenkultur (Boku) "spannen einen Themenbogen von berühmten historischen Grünanlagen und ihren oft unbekannt gebliebenen Erbauern bis zur Entwicklung der Gartentheorie und Landschaftsgestaltung als eigene Fächer", sagte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger vor Journalisten am Mittwoch in Wien.
Gestaltete Landschaft
"Gärten sind ohne Menschen nicht denkbar, nicht möglich", erläuterte Kurator Christian Maryska von der ÖNB die Leitthese der Ausstellung: "Ohne Menschen kein Garten. Gärten und Parks sind gestaltete Natur. Grüne Freiräume bestehen aus natürlichen Elementen, wie Pflanzen, Boden, Wasser, Topografie, die in gestalterischer Absicht angeordnet werden", sagte er. "Diese sogenannte dritte Natur wurde Mitte des 16. Jahrhunderts den anderen Künsten gleichberechtigt zur Seite gestellt." Unberührte Natur wurde entwickelte Kulturlandschaft wurde absichtsvoll gestaltete Landschaft. Die Ausstellung verläuft nicht chronologisch, sondern richtet den Fokus in erster Linie auf Personen, die mit Gärten zu tun haben: Gestalterinnen und Gestalter, Auftraggebende, Gärtnerinnen und Gärtner und nicht zuletzt all die Menschen, in den Grünanlagen Erholung suchen.
Deutlich tritt beim Betrachten der Schau hervor, wie die Gestaltung der Natur sich (ähnlich wie Architektur) im gesellschaftlichen und politischen Wandel verändert.
Die Gärten der italienischen Renaissancegärten greifen in ihrer symmetrischen Grundstruktur auf die Antike zurück und inszenieren spektakuläre Wasserspiele, ist zu erfahren. Der französische Barockgarten wird als Ausdruck absolutistischer Machtdemonstration präsentiert: Die Natur sei beherrschbar geworden, Grundriss und Platzierung der Gartenelemente folgen einer strengen Hierarchie. Der englische Landschaftsgarten wiederum sei ein Kind der Aufklärung. Diese Gärten seien aus dem liberaleren Gesellschaftsverständnis des 18. Jahrhunderts entstanden. Landschaftsarchitekten wie Lancelot "Capability" Brown oder Humphrey Repton, deren Entwürfe hier zu betrachten sind, unterstreichen die Erhabenheit der Natur.
Die Rolle im Klimawandel
In Wien stellte sich mit dem Bau der Ringstraße in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Frage der Schaffung zentrumsnaher Grünflächen. Das Ergebnis sind Rathausplatz, Heldenplatz, Maria Theresien-Platz zwischen den Museen, Volksgarten, Burggarten und Stadtpark.
Streng wurden die Linien in der klassischen Moderne. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden als Gegenstück zu den Fabrikshallen der Industrialisierung Volksparks mit funktionaler Freiraumgestaltung errichtet. Geometrische Formen hielten Einzug ins Grüne. In den Wirtschaftswunderjahren der 1950er und 1960er sei schließlich die Bedeutung städtischer Grünflächen für die Nahversorgung verschwunden - Parks erhielten klar definierte Bereiche zur Freizeitnutzung, ist zu lesen und anhand zahlreicher Fotos belegt.
Und heute? Umweltkrisen, Schutz der Artenvielfalt und das Bestreben, natürliche Lebensräume zurückzugewinnen, bestimmen die Landschaftsarchitektur. "Die Anforderungen an Gärten und Freiräume sind sehr hoch", sagte Kuratorin Lilli Licka, Professorin für Landschaftsarchitektur der Boku. "Sie müssen auf den Klimawandel reagieren, etwa durch die Wahl der Pflanzen, oder Regenwasser-Management betreiben. Urbane Grünräume müssen den Folgen des Klimawandels vorbeugen und für ein erträgliches Stadtklima sorgen. Es ist daher vielleicht nicht verwegen, zu sagen, dass es ohne Parks und Gärten keine Menschen gibt."