Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott über die Achse des Kremls zu Europas Rechtsextremen.
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Wien. Wiener Zeitung: Herr Professor, wie schätzen Sie die Verbindungen zwischen dem russischen Präsidenten und den Rechten in Europa ein? Seit geraumer Zeit wird spekuliert, dass der Kreml auf Destabilisierung und Chaos in der EU abzielt und dies mithilfe Strache, Le Pen und Co. erreichen möchte.
Gerhard Mangott: Zuerst sollte man klären, woher die Affinität rechtspopulistischer Parteien in der EU zu Russland kommt. Drei zentrale Faktoren gibt es: Ein Bestandteil der meisten rechtskonservativen und rechtspopulistischen Parteien in Europa war seit vielen Jahrzehnten der Anti-Amerikanismus. Russland verstehen diese Parteien als Staat, der offen gegen den Herrschaftsanspruch der USA auftritt. Der zweite ist, dass Russland eine klare, sozialkonservative Gesellschaftspolitik vertritt und das gefällt vielen in der Europäischen Rechten. Diese Werte hat das liberale Europa in ihren Augen hinter sich gelassen. Etwa die zentrale Bedeutung der Familie in der Gesellschaft und ihrem traditionellen Verständnis als der Ehe zwischen Mann und Frau, die Bedeutung der Religion für das öffentliche Leben, der Schutz christlicher Werte durch den Staat. Ein dritter Faktor ist die große Sympathie der Europäischen Rechten für den autoritären Führungsstil in Russland und die Rolle eines starken Führers, der sich über institutionelle Beschränkungen hinwegsetzt und die Politik dominiert.
Welche Motivation hat Russland, sich immer offenkundiger der Rechten zuzuwenden?
Russland unterstützt sie, weil sie angesichts der beschriebenen drei Faktoren für eine russlandfreundliche Außenpolitik eintreten. Außerdem sind sie jene Kräfte, die einen Rückbau der supranationalen Vergemeinschaftung in der EU anstreben und die EU wieder stärker auf eine intergouvernmentale Zusammenarbeit der Nationen zurückbauen wollen. Das ist im russischen Interesse, denn Russland hat seine Europa-Politik immer als eine Politik gegenüber den einflussreichen Mächten in der EU verstanden. Gegenüber Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien. Russland wollte seine Europa-Politik nie zu einer Politik des Dialogs mit den EU-Institutionen verstanden wissen, sondern sie immer im Stil der europäischen Großmächtepolitik des 19. Jahrhunderts bilateralisieren. Jeder Rückbau der Vergemeinschaftung ist im Interesse dieser auf bilaterale Abmachungen setzenden russischen Europa-Politik. Daher unterstützen sie Parteien, die konkrete Chancen auf Regierungsbeteiligung haben oder wie mit der AfD in Deutschland eine Partei, die die Wählerstärke der großen CDU/CSU reduzieren kann. Das klare Ziel Russlands ist, Angela Merkel aus der Regierung zu drängen. Auch das klare Interesse der deutschen Rechten ist die Schwächung der Bundeskanzlerin bis zu ihrem Amtsverlust.
Blicken wir nach Frankreich. Marine Le Pen deklariert sich offen als Putin-Verehrerin und hat die Krim-Annexion 2014 offiziell als rechtmäßig bezeichnet. Sie ist für Russland sehr wichtig, zumal sie gute Chancen hat, Frankreichs erste Präsidentin zu werden, und mit dem Frexit liebäugelt.
Die Bank, die dem FN einen Kredit von neun Millionen Euro zugestanden hat, ist mittlerweile bankrott. Le Pen ist in großen Finanzierungsnöten für den Präsidentschaftswahlkampf, weil sie bei französischen Banken keine Kredite bekommt. Das ist unklug, da man solche Parteien dann in eine Abhängigkeit von Kreditgebern wie etwa Russland drängt.
Aber braucht Russland Le Pen überhaupt noch? Francois Fillon ist auch ein Kandidat, der dem russischen Präsidenten freundlich gesinnt ist.
Ich habe Fillon bei zwei Konferenzauftritten zusammen mit Putin erlebt. Er vertritt tatsächlich sehr russlandfreundliche Positionen. Nach der bekannt gewordenen möglichen Veruntreuung öffentlicher Gelder durch Fillon ist sein Einzug in die Stichwahl derzeit aber fraglich geworden.
Für Putin ist die Finanzierung Le Pens nicht mehr so wichtig, wenn er mit Fillon auch einen Freund in Frankreich hat.
Marine Le Pen hat mit der Anerkennung der Krim-Annexion eine sehr explizite Position eingenommen, die Fillon nicht teilt. Noch nicht zumindest. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Emmanuel Macron vor Fillon in die Stichwahl kommt. Das wäre für den Kreml natürlich nicht so attraktiv wie die beiden anderen Optionen. Aber Sie haben Recht, in einer Stichwahl würde Fillon Le Pen sicher besiegen und die Russen könnten mit ihm sehr gut leben. Putin ist momentan wohl am meisten daran interessiert, dass keine russlandkritischen Staatschefs in Europa gewinnen. So wie man in Deutschland Merkel schwächen möchte, will man mit einer Wahl Le Pens oder Fillons die deutsch-französische Achse in der Sanktionspolitik brechen. Das ist das große Ziel in der Frankreich-Politik Russlands.
Kommen wir kurz zum Anti-Amerikanismus. Fällt nicht durch einen US-Präsidenten wie Donald Trump, der ganz im Sinne Wladimir Putins agiert, dieses Argument der Europäischen Rechten weg?
Grundsätzlich schon. Aber die interessantere Frage ist, was bedeutet das für die russische Politik, die die Gefahr einer amerikanischen Aggression als patriotisches Mobilisierungsvehikel für die eigenen Bürger verwendet. Was würde eine Entspannung zwischen Russland und den USA für dieses Legitimationsinstrument der russischen Führung bedeuten?
Der über Jahrzehnte gelebte und aufgebaute russische anti-amerikanische Haltung wird jetzt durch Trumps positive Haltung zu Russland wahrscheinlich bröckeln. Was bedeutet das für Europas Rechte?
Wenn die USA und Russland tatsächlich dauerhaft zusammenarbeiten, und wenn die USA sich stärker von Europa abkehren würden, wäre der Anti-Amerikanismus der europäischen Rechten nicht mehr so leicht aufrecht zu erhalten. Die deutsche Rechte war anti-amerikanisch, vor allem weil die Amerikaner die Nationalsozialisten besiegt haben. Andere rechte Bewegungen in Europa waren anti-amerikanisch, weil sie der Ansicht sind, dass Europa nach 1945 zu einem Vasallen der USA geworden ist. Wenn Trump sich so verhalten wird, wie viele es erwarten, werden sich die Rechten in diesem Punkt umorientieren müssen. Das ist auch bei der FPÖ zu erkennen, die bei der Inauguration Trumps vertreten war.
Blicken wir zurück an den Anfang der Machtübernahme Putins. Hat Europa die Chance zu einer Kooperation mit ihm Anfang der 2000er Jahre verpasst? Er hielt damals eine Rede im deutschen Bundestag, in der er seine Enttäuschung darüber äußerte, dass Europa Russlands ausgestreckte Hand ausschlug. Bereut man das jetzt möglicherweise?
Die ausgestreckte Hand von Putin gegenüber den USA und der EU im Jahr 2000/2001 war wirklich authentisch. Putin war damals an einer Annäherung an den Westen - die USA und die Europäer - interessiert. Die USA haben sehr früh Schritte gesetzt, die diese Hand ausgeschlagen haben. Die republikanische Administration von George W. Bush Russland hat die Bedeutung Russlands deutlich herabgestuft. Für Clinton waren die Beziehungen zu Russland noch deutlich wichtiger gewesen. Das Bush-Kabinett sah Russland als Großmacht im Niedergang: eine "great power in decline", militärisch und ökonomisch geschwächt und politisch instabil. Gleichzeitig war diese neokonservativ dominierte Außenpolitik überzeugt, dass die USA im internationalen System eine liberale Hegemonie anstreben müssten und diese Hybris des sogenannten "unipolar moment", wie Charles Krauthammer es formulierte, dominierte die US-Außenpolitik. Russlands Anspruch, als gleichberechtigte Großmacht anerkannt zu werden und seine Souveränität zu respektieren, sich nicht mehr in die inneren Angelegenheiten einzumischen, wurde nicht respektiert.
Zum Beispiel?
Dazu zählen die Kündigung des ABM-Vertrages von 1972 (zwischen den USA und der UdSSR zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen, Anti-Ballistic Missiles, Anm.), die zweite NATO-Erweiterungswelle, der Irak-Krieg ohne Mandat des Sicherheitsrates der VN gegen den Willen Russlands, die Rosenrevolution (in Georgien, Anm.), die orange Revolution in der Ukraine, die in Russland als erzwungener Regimewechsel durch die USA verstanden wurden. Dazu gehörten aber auch amerikanische Schritte, die russische Energie-Hegemonie auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion zu brechen, das Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien, die Anerkennung des Kosovo, die Einladung an Georgien und die Ukraine, der NATO beizutreten. Das hat bei Putin starke Enttäuschung, Verbitterung und Entfremdung hervorgerufen. So ist der Putin, der 2012 erneut als Präsident gewählt wurde, mit dem Putin von 2000 überhaupt nicht zu vergleichen. Putins Außenpolitik der letzten Jahre ist von seiner Überzeugung geprägt, vom Westen stets übergangen und betrogen worden zu sein.
Oft ist von "Demütigung" Russlands auf der Weltbühne die Rede.
Das ist zweifellos die Wahrnehmung der Führungselite des Landes und großer Teile der Bevölkerung, die nicht gänzlich ungerechtfertigt ist. Russland wurde nicht mehr ernst genommen. Russland wurde zu einem "rule taker" und war nicht mehr ein "rule maker".
Könnte Russland durch Putins hartes militärisches Vorgehen in der Ostukraine oder in Syrien wieder zum rule maker werden?
Russland hat 2008 eine rote Linie eingezogen. Nach dem Bukarester NATO-Gipfel im April 2008, auf dem der Ukraine und Georgien die Mitgliedschaft in der NATO in Aussicht gestellt wurde, sah Russland dies als eine Verletzung seiner vitalen Interessen an. Die Intervention Russlands in Georgien im August 2008, die von der georgischen Führung ausgelöst wurde, war darauf ausgerichtet, die offenen territorialen Konflikte um Abchasien und Südossetien zu verstetigen und damit die NATO-Mitgliedschaft Georgiens zu verhindern. Dasselbe hat man 2014 mit der Ukraine getan. Das ist die russische Antwort auf das Überschreiten seiner roten Linie, die Westeinbindung der Ukraine voranzutreiben.
Das alles waren und sind Schritte, um Russland wieder on the map zu bringen. Die junge Generation ist wieder stolz auf ihr Land, auf diese militärische Stärke, Putin gilt als starker Führer, der Russland wieder zum gleichwertigen Gegner gemacht hat. Auch international wird dieses Bild über massiv vom Kreml geförderte Medien wie Sputnik und RT mit Millionen von Abonnenten in ganz Europa auf Deutsch, Englisch, Arabisch verbreitet. Hier werden Russland-positive Meldungen inszeniert und anti-westliche, vor allem EU-feindliche, Stimmung macht.
Russlands demonstrierte Bereitschaft, sich der liberalen Hegemonie der USA entgegenzustellen und seine vitalen Interessen zu verteidigen, hat das Land sicher attraktiver gemacht für Völker, die sich auch als Opfer westlicher Dominanz verstehen. Dabei wird übersehen, dass Russland außer im militärischen Bereich, und hier auch nur im nuklearen Sektor, den USA deutlich unterlegen ist. Russland ist zur globalen Machtprojektion nicht fähig. Es hat kaum Militärbasen außerhalb Russlands. Der nukleare Bereich wird modernisiert und Russland ist fähig, mit seinen modernisierten Streitkräften in den Nachbarregionen, v.a. bei einem Führungsvakuum der USA, militärische und politisch erfolgreich zu sein. Wirtschaftlich und technologisch ist Russland den USA hoffnungslos unterlegen. Das BIP Russlands liegt 2015 bei 1,7 Billionen USD, das der USA bei 18 Billionen USD.
Es geht vielleicht eher um Demonstration von Stärke und Macht als um reale Potenz. Wenn schon so viel von postfaktischem Zeitalter und "fake news" die Rede ist.
Russland kann als disturbing power die liberale Ordnung destabilisieren, westliche Politik unterminieren, sie in bestimmten Regionen konterkarieren. Russland ist keine gestalterische Großmacht, aber eine "disturbing great power".
Ist die Vision von Putins Chefideologen Alexander Dugins eines Eurasiens nach russischem Zaren-Vorbild vergangener Tage realistisch?
Die Dominanz Russlands auf dem eurasischen Kontinent ist nur in Grenzen möglich: Die Eurasische Zollunion funktioniert sieben Jahre nach ihrer Einführung immer noch nicht völlig. Der Wirtschaftsunion funktioniert in der Praxis nicht so wie erwartet; bis zu einem Binnenmarkt ist noch lange hin. Das hängt auch damit zusammen, dass die Nachbarstaaten Russlands aufgrund der Ukrainekrise starke Vorbehalte gegenüber einer von Russland dominierten Integrationsstruktur haben. Dieses eurasische Projekt ist aus russischer Sicht aber wirtschaftlich und politisch sehr sinnvoll, so wie die europäische Integration für die Europäer Sinn macht.
Den Rechten Europas, die seit einigen Jahren immer mehr zulegen, scheint die Stärkung Russlands jedenfalls zu gefallen.
Zweifellos.
Hat denn die EU Russland gegenüber etwas falsch gemacht?
Die EU hat die Zusammenarbeit mit Russland gesucht. 1997 wurde ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen geschlossen. In St. Petersburg wurden 2003 vier gemeinsame Räume der Zusammenarbeit beschlossen: Wirtschaft, innere und äußere Sicherheit, Forschung, Bildung und Kultur. 2010 folgte die Modernisierungspartnerschaft. Das Problem war nur, dass die Umsetzung von beiden Seiten nicht wirklich vorangetrieben wurde. Putin hat die Konditionalität der vertieften Zusammenarbeit aber immer weniger akzeptiert, nämlich die Forderung der EU nach Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Institutionen. Nach dem Auslaufen des Partnerschaftsabkommens 2007 konnten sich beide Seiten nicht mehr auf ein Folgeabkommen einigen. Seit der Annexion der Krim sind Verhandlungen darüber ausgesetzt.
Putins enttäuschte Bundestags-Rede über das mangelnde Vertrauen Europas war aber schon kurz nach seinem ersten Antritt des Präsidentenamts 2001.
Es waren erste Anzeichen der Enttäuschung, aber der Wille zur Zusammenarbeit blieb aufrecht. In der russischen Führung wird die Union aber nicht als stelbstständigen Akteur angesehen, sondern als politisch abhängig von den USA. Dazu kommt die Überzeugung, dass zwischen EU und NATO kaum noch ein Unterschied besteht – 22 der 28 EU-Mitglieder sind NATO-Mitglieder und beide haben sich in den letzten Jahren sehr stark angenähert. Der Stellenwert der EU ist also nicht besonders groß und man hält an dem Wunsch nach bilateralen Kontakten zwischen den großen Mächten in Europa fest. Seit 2012 wurde die Wertedifferenz zwischen EU und Russland offen ausgetragen. Russland lehnt die liberalen Werte ab, weil sie russischen traditionellen moralischen Überzeugungen widersprechen. Russland wirft der EU eine postchristliche Identität vor und sieht sich als letzter Verteidiger des christlichen Charakters Europas. Diese Überzeugung teilen auch viele Europäische Rechte.
Wer allerdings die Unterstützung rechter Parteien durch Russland beklagt, muss auch eingestehen, dass der Westen in den vergangenen 25 Jahren liberale Organisationen und Parteien in Russland unterstützt hat, die für eine klare West-Bindung Russlands eingetreten sind. Man darf auch nicht vergessen, wie sehr sich der Westen 1996 in die Präsidentschaftswahlen Russlands eingemischt hat, um sicherzustellen, dass der kommunistische Kandidat – der die Wahlen eigentlich gewonnen hätte – die Wahlen gegen Jelzin verliert. Daher müsste man sich grundsätzlich überlegen, ob die Einmischung in innere Angelegenheiten von Staaten erwünscht ist oder nicht – in alle Richtungen.
Sie empfinden den Westen also als heuchlerisch gegenüber Russland?
Ja.
Wobei man dazu sagen muss, dass die Sorge der EU über Russlands Unterstützung der Rechtsparteien in Europa davon getragen wird, dass Russland die EU zerrütten und sogar zerschlagen will.
Das stimmt sicher. Die russische Einmischung fällt in eine Zeit, wo die EU mit multiplen Krisen konfrontiert ist. Die aufstrebenden Rechten wurden aber nicht durch Russland erschaffen, sondern sie sind ein Phänomen, das in den europäischen Staaten aus bestimmten und je nach Land unterschiedlichen Gründen entstanden ist. Russland nutzt diese Parteien, die an Zulauf gewinnen, für seine Ziele aus. Die Annahme, der Erfolg der Rechten wäre auf die Unterstützung Russlands zurückzuführen, ist unrichtig.
Wer behauptet sowas?
Die These findet sich immer wieder in Kommentaren; die Ansicht, dass die Bedrohung der Rechtspopulisten ein Ergebnis russischer Einmischung sei. Wenn man die Gefahr der Rechten neutralisieren will, muss man die eigentlichen Ursachen angehen und nicht die russische Einmischung.
Die FPÖ hat mit der Partei Einiges Russland im Dezember ein Arbeitsübereinkommen geschlossen. Viele sehen das kritisch. Macht es Sinn, dass Parteien, die nicht auf Regierungsebene sind, solche Kooperationen vereinbaren? Die auf "Patriotismus und Arbeitsfreude" der Jugend ausgerichtet sind und sehr undurchsichtig wirken?
Es ist nichts Ungewöhnliches daran, dass Parteien - unabhängig davon, ob sie Regierungsverantwortung tragen - Kooperationen vereinbaren. Vor dem Hintergrund der russischen Strategie der Beeinflussung der europäischen Innenpolitik, muss man ein solches Abkommen aber als einen Versuch sehen, die Innenpolitik in anderen Staaten zu beeinflussen. Ob die FPÖ dieselbe patriotische Mobilisierung betreiben will, wie sie in Russland seit einigen Jahren politische Zielvorgabe ist, muss die FPÖ selbst beantworten. Dass sie sich mit der Unterstützung von "Patriotismus und Arbeitsfreude" auf eine sowjetische Formulierung eingelassen hat, muss sie auch verantworten. Bezüglich "Patriotismus und Arbeitsfreude": Mich hat es überrascht, dass die Partei Einiges Russland diese Losung aus der sowjetischen Mottenkiste so direkt aufgegriffen hat. Ich denke, dass man auf FPÖ-Seite den historischen Kontext nicht kannte und nicht wusste, worum es sich dabei handelt.
Es hat eher einen symbolischen Charakter?
Es dient sicherlich der Bemühung der russischen Staatspartei, mit westlichen Parteien zusammenzuarbeiten. Vor dem Hintergrund der russischen Strategie, sich in diese Innenpolitik europäischer Staaten einzumischen, wirft der Vertrag aber Fragen auf. Bedenkt man, dass Einiges Russland aber keine Zustimmung in der russischen Bevölkerung fände, würde sie nicht von Putin unterstützt, stellt sich die Frage, ob für die FPÖ die Zusammenarbeit mit dieser Partei wirklich sinnvoll ist. Aber das bleibt der FPÖ vorbehalten.
Es wurde niemand im Außenministerium über die Reise oder das geplante Abkommen informiert.
Das sehe ich nicht als Problem, Parteien unterliegen keiner Berichtspflicht. Dass die FPÖ ihre Pläne nicht offen kommuniziert hat, weist darauf hin, dass man Kritik daran erwartet hat.
Es stehen 2017 europaweit mehrere Wahlen an. Deutschland wählt im September den Bundestag, im Mai Präsidentschaftswahlen in Frankreich, in Österreich sind vorgezogene Nationalratswahlen möglich. Sehen Sie eine Gefahr aus Russland?
Die Wahrscheinlichkeit, dass russische Nachrichtendienste für die Hackerangriffe in den USA verantwortlich waren, ist sehr hoch, auch wenn es keine öffentlich zugänglichen Belege dafür gibt. Auch haben 2016 russische Hacker den deutschen Bundestag, deutsche Ministerien, Parteien oder Politiker angegriffen. Angesichts dieser mutmaßlichen Praxis sind Sicherheitsvorkehrungen dringlich notwendig, um diese Manipulationsversuche abzuwehren. Hackerangriffe gibt es aber sicherlich auch in umgekehrter Richtung.
Wie erklären Sie sich dann den Fokus auf Russland als ausführender Akteur diesbezüglich?
Natürlich waren die mutmaßlichen russischen Einmischungen in die Präsidentenwahlen in der USA erstaunlich massiv. Daher ist es verständlich, darüber auf allen Ebenen eine ernste Debatte zu führen. Umgekehrt hat man die NSA-Überwachung europäischer Politiker nicht in dem Ausmaß thematisiert. Medial schon, aber politisch wurden diese Aktivitäten vor allem in Deutschland erstaunlich kleingeredet. Angela Merkel meinte dazu: "Ausspähen unter Freunden: Das geht gar nicht." Das ist politisch etwas handzahm.
Der Ton gegenüber Russland wäre anders ausgefallen?
Ja, zweifellos. Das eine rechtfertigt nicht das andere, aber wir können mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass sich alle Staaten dieser technischen Möglichkeiten bedienen. Mit diesem Punkt möchte ich nicht den sogenannten "Whataboutism" erwähnen. (Ein kommunikativer Propaganda-Trick, vor allem beliebt in der ehemaligen Sowjetunion und im heutigen Russland, um auf Vorwürfe mit Gegenvorwürfen zu kontern, die inhaltlich korrekt sein können, aber darauf abzielen, vom Vorwurf abzulenken.) Ich versuche nicht ein Fehlverhalten durch ein anderes zu rechtfertigen, sondern aufzuzeigen, dass das Fehlverhalten bei allen vorliegt und in gleichem Maße Unbehagen auslösen sollte. Ich versuche nicht ein Fehlverhalten durch ein anderes zu rechtfertigen, sondern aufzuzeigen, dass das Fehlverhalten bei allen vorliegt und in gleichem Maße Unbehagen auslösen sollte.