Neues Gesetz soll klare Regeln bringen. | Auch nationaler Gläubigerschutz | wird verbessert. | Rechte der Arbeitnehmer noch unklar.
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Wien. Wenn eine österreichische GmbH mit einer spanischen GmbH verschmelzen will, dann ist das bald ausdrücklich gesetzlich möglich.
In Österreich bastelt die Regierung gerade an einem Entwurf zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz, mit dem die EU-Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften ins nationale Recht umgesetzt werden soll. Ziel ist, die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten einfacher und kostengünstiger zu machen.
"Bisher war es der Rechtssprechung überlassen, ob und wie man eine grenzüberschreitende Verschmelzung zulässt. Es wurde zwar praktiziert, war aber nicht gesetzlich geregelt", erklärt Sonja Bydlinski, leitende Staatsanwältin im Justizministerium, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
"Hereinverschmelzung" schon immer erlaubt
Der Gesellschaftsrechtsexperte und Rechtsanwaltsanwärter Clemens Völkl erklärt: "Eine Hereinverschmelzung war innerhalb der EU schon früher zulässig." Aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit darf kein EU-Staat einer ausländischen Gesellschaft verbieten, sich mit einer inländischen Gesellschaft zu verschmelzen. Das hat auch der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung klargestellt. Ob allerdings eine "Herausverschmelzung", also die Abwanderung einer Gesellschaft zur Verschmelzung in einem anderen Land, zulässig ist, war bislang ungeklärt.
Laut dem Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz ist eine Verschmelzung zwischen Kapitalgesellschaften aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten künftig zulässig, wenn es die Gesetze der betroffenen Staaten erlauben.
Dabei ist noch nicht ganz klar, was genau unter einer Kapitalgesellschaft zu verstehen ist. "Für Österreich sind das die GmbH und die Aktiengesellschaft", versichert Bydlinski.
Wie hat das grenzüberschreitende Fusionsverfahren künftig abzulaufen?
Jede Gesellschaft wickelt die Verschmelzung nach ihren nationalen Vorschriften ab. "In Österreich müssen 75 Prozent der Gesellschafter der Verschmelzung zustimmen", weiß Völkl. Wer nicht einverstanden ist, hat ein Austrittsrecht und Anspruch auf eine Barabfindung.
Gläubigerschutz wird strenger
Auch die Gläubiger bekommen durch das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz einen besonderen Schutz. Sie müssen jedenfalls informiert werden, wenn die Gesellschaft wegzieht. Schließlich kann es für sie dann schwierig werden, ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft durchzusetzen. Das Risiko für Gläubiger ist noch größer, wenn das Stammkapital der neuen Gesellschaft niedriger ist als jenes der ursprünglichen Gesellschaft. "Der Gläubiger kann Sicherstellung verlangen. Allerdings muss er im Regelfall glaubhaft machen, dass die Erfüllung seiner Ansprüche durch die Verschmelzung gefährdet ist", erklärt Johannes Zollner von der Abteilung Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU).
Erst wenn der Staat, aus dem eine Gesellschaft wegzieht dem künftigen Sitzstaat bestätigt, dass die Forderungen der Gläubiger sichergestellt und alle sonstigen Vorschriften eingehalten wurden, wird die Gesellschaft im Wegzugsstaat gelöscht und im Zuzugsstaat eingetragen.
Gesetz: "EU-konforme Umsetzung"
Susanne Kalss, Professorin für Bürgerliches Recht an der WU, freut sich über die strengen Gläubigerschutzbestimmungen und die erhöhte Rechtssicherheit, die das neue Gesetz mit sich bringt. "Auch im nationalen Bereich gibt es jetzt bedeutende Verbesserungen", findet sie. Neu ist, dass künftig auch rechtsformübergreifende Verschmelzungen von Aktiengesellschaften auf GmbHs zulässig sein werden. "Das bedeutet mehr Gestaltungsmöglichkeiten", so Kalss.
Sie hält den Gesetzesentwurf für eine "EU-konforme Umsetzung der Richtlinie", er ginge allerdings nicht darüber hinaus. Schließlich hätte man auch die grenzüberschreitende Verschmelzung von Gesellschaften in Drittstaaten in das Gesetz einbeziehen können.
Schicksal der Mitarbeiter noch offen
Wie es mit der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der neuen Gesellschaft ausschauen wird, ist noch nicht geklärt. Diese wird im Arbeitsverfassungsrecht geregelt. "Darüber wird noch verhandelt", meint Anna Ritzberger-Moser aus dem Arbeitsministerium. Einerseits sollten die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer nicht verloren gehen, andererseits sollen sie der neuen Gesellschaft auch nicht aufgezwungen werden. Grundsätzlich ist über die Frage der Mitbestimmung ein Verhandlungsverfahren vorgesehen, das unter bestimmten Bedingungen wegfallen soll.
Wissen
Verschmelzung ist ein Zusammenschluss von zwei oder mehreren Unternehmen zu einem einzigen Unternehmen.
Bei diesem Vorgang übertragen die Gesellschaften ihr ganzes Vermögen auf die Gesellschaft, die aus der Verschmelzung hervorgeht. Es entsteht eine neue Gesellschaft, die ehemaligen Gesellschaften erlöschen.
Die neue Gesellschaft folgt den ehemaligen Gesellschaften in allen Rechten und Pflichten nach.