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Keine Informationen über deutsch-französischen Plan

Von Detlef Rudel

Politik

München - US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld muss ziemlich sauer gewesen sein, als er in der Nacht auf Sonntag auf dem Münchner Flughafen seine Regierungsmaschine bestieg, um Richtung Heimat zu jetten. Hatte ihn doch kurz zuvor sein deutscher Amtskollege Peter Struck im Gespräch unter vier Augen am Rande der Sicherheitskonferenz kühl abblitzen lassen und Informationen über eine offensichtlich bevorstehende deutsch-französische Initiative zur gewaltlosen Entwaffnung des Irak glatt verweigert.


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Mitarbeiter Rumsfelds berichteten nach der einstündigen Unterredung, ihr Minister habe Struck auf Berichte über die Initiative angesprochen. Struck habe geantwortet, er könne darüber noch nicht sprechen, sie sei noch nicht ausformuliert. Vor Journalisten allerdings hatte Struck kurz zuvor noch versichert, es handle sich nicht etwa um ein Gedankenmodell, sondern bereits um einen konkreten Vorschlag. So konkret jedenfalls, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder ihn am Donnerstag in einer Regierungserklärung präsentieren will.

Statt Informationen zur Sache musste sich Rumsfeld von seinem deutschen Kollegen Kritik an seinen als abfällig empfundenen jüngsten Äußerungen über Deutschland anhören. Er habe Rumsfeld erklärt, dass die Nennung Deutschlands in einem Atemzug mit Libyen und Kuba keine freundliche Bemerkung gewesen sei, sagte Struck anschließend. Rumsfeld habe versucht zu erklären, dass er lediglich eine Frage beantwortet habe, wer Amerikas Irak-Politik unterstütze und wer nicht.

"Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus", kommentierte ein Mitarbeiter Strucks das Vorgehen des deutschen Verteidigungsministers, das im Übrigen nicht der einzige sichtbare Ausdruck der schweren Funkstörung im deutsch-amerikanischen Verhältnis war. Zuvor schon war Beobachtern ein vielleicht noch deutlicheres Beispiel aufgefallen. In seiner Rede vor den 256 Sicherheits- und Außenpolitikern aus aller Welt - allein 31 Minister waren in München - hatte Rumsfeld am Morgen die Blockade von Vorbereitungen der NATO zum Schutz der Türkei vor einem irakischen Angriff durch Deutschland und andere Staaten als verantwortungslos gegeißelt. Struck antwortete darauf nicht etwa im Forum, sondern auf einer Pressekonferenz: Die Türkei werde Luftabwehrraketen vom Typ Patriot erhalten, und zwar Systeme und Soldaten von den Niederlanden, die eigentlichen Raketen aus Deutschland.

Dabei hatte Rumsfeld, der mehrfach mit wenig freundlichen Worten über Deutschland aufgefallen war, seine Rede mit einer freundlich formulierten Entschuldigung begonnen: "Es ist mir ein besonderes Vergnügen, zurück im alten Europa zu sein." Die Irritationen, die seine Unterteilung in "alte" (die USA in der Irak-Frage nicht unterstützende) und "neue" (die USA unterstützende) Europäer ausgelöst habe, könne er gar nicht verstehen: "In meinem Alter ist 'alt' ein Ausdruck der Zärtlichkeit."

Doch das sollte so ziemlich der einzige Scherz des 70 Jahre alten ehemaligen Navy-Piloten mit deutschen Vorfahren bleiben. Verbindlich im Ton, aber klar in der Sprache und hart in der Sache gab Rumsfeld seiner Verärgerung über jene "alten" Europäer Ausdruck, die seiner Kriegs-Logik so schnell nicht folgen wollen. Dabei bemühte er sogar Konrad Adenauer, der einst gesagt habe: "Geschichte ist die Summe aller Dinge, die hätten vermieden werden können."

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer stellte Rumsfeld als Vertreter der Kriegsgegner jene skeptischen Fragen, auf die der Amerikaner auch diesmal keine Antworten gegeben hatte. Er sprach klar die wunden Punkte der amerikanischen Irak-Politik an: das fehlende politische Konzept für die Zeit danach und die für ihn nicht einsichtigen Gründe für den Prioritätenwechsel der US-Politik. Im Kosovo und in Afghanistan sei militärische Gewalt mit politischer Perspektive verbunden worden. Das Engagement dort werde noch Jahrzehnte dauern. Auch die Al Kaida sei noch lange nicht besiegt.

Dass Saddam Hussein ein furchtbarer Diktator sei und nach Massenvernichtungswaffen strebe, sie vielleicht sogar schon besitze, sei seit langem bekannt. "Warum jetzt gegen Irak, warum diese neue Prioritätensetzung? Das leuchtet mir nicht ein - darauf habe ich keine befriedigende Antwort", sagte Fischer. Er erhielt die Antwort auch am Samstag nicht - Rumsfeld griff danach nicht mehr in die Diskussion ein.