Lieblingsroboter der Nasa fahrplanmäßig unterwegs, am Nachfolger wird bereits gebaut.
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Wien. Curiosity Killed the Cat: Das ist nicht nur der Name einer britischen Pop-Band, sondern auch Warnung für den Menschen: Die Neugier ist der Katze Tod. Vom Forschergeist Bewegte würden entgegnen: Wenn wir dank unserer Neugier Großartiges entdecken, hat es sich wenigstens gelohnt. Und obwohl er weder Katzen noch andere höhere Lebewesen auf dem Mars gefunden hat, brachte uns der Nasa-Rover "Curiosity" bereits sensationelles Wissen: Er fand heraus, dass pulverisiertes Mars-Gestein wichtige Bausteine irdischen Lebens enthält, nämlich Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel.
Vor einem Jahr, am 6. August 2012, landete "Curiosity" auf dem Mars. Seither rollt der Kleinwagen-große Roboter über den Roten Planeten. Das erklärte Ziel der Mission, nämlich Voraussetzungen für einst mögliches Leben auf dem Mars zu entdecken, hat er erreicht. Zudem hat eine gewaltige Marketingmaschinerie auch das verdeckte Ziel der Mission umgesetzt, nämlich das Image der zuvor als zu teuer geltenden US-Raumfahrtbehörde Nasa aufzupolieren. Nach dem Ende der Raumfähren-Ära hat sie nun wieder einen Star.
Zum Jahrestag veranstaltet die Nasa eine öffentliche Party in ihrem Hauptquartier in Washington, bei der Video-Highlights aus einem Jahr "Curiosity" zu sehen sein werden. 570 Millionen Kilometer hatte der bisher teuerste, ausgefeilteste Nasa-Rover zurückgelegt, bevor er mithilfe eines Fallschirms, Seilen und Korrekturdüsen auf der Mars-Oberfläche landete. Nach "sieben Minuten des quälenden Bangens" jubelten alle im Kontrollraum: "Die Landung war der intensivste Moment", sagte Nasa-Forscherin Megan Richardson.
Seit dem hat der 900 Kilo schwere Rover Fotos und Videos zur Erde gefunkt, Bodenproben entnommen, Stürme durchlebt, Computerpannen überstanden - und Voraussetzungen für einst mögliches mikrobielles Leben gefunden. In der Nähe des Landeorts im 154 Kilometer breiten Gale Krater hat "Curiosity" ein Flussbett entdeckt, in dem einst hüfttiefes Wasser geflossen sein könnte. Bodenproben geben Aufschluss darüber, dass die ehemals feuchte Umgebung nicht salzig, sauer oder oxidierend war wie die heutige Mars-Oberfläche, sondern lebensfreundliche Bedingungen und vermutlich auch Trinkwasser bot.
"Curiosity’s" nächstes Ziel ist der 5000 Meter hohe Mount Sharp im Zentrum des Kraters. "Wir beginnen nun die 8,6 Kilometer lange Reise. Sie könnte ein Erdenjahr dauern" (das ist ein halbes Marsjahr, Anm.), erklärt Noah Warner, strategischer Manager der Mission am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Kalifornien. Warner ist für die Steuerung des Rovers verantwortlich. "Am Anfang hat Curiosity 40 Meter pro Marstag zurückgelegt. Nun müssen wir die zurückgelegte Distanz auf bis zu 200 Meter pro Marstag erhöhen, damit sie beizeiten ankommt", sagt er zur "Wiener Zeitung". Der Rover soll selbstständiger arbeiten als bisher. Er soll autonom navigieren, dabei Bilder machen und Hindernisse ganz alleine umschiffen.
Die Nasa-Forscher gehen davon aus, dass Mount Sharp aus Fluss-Sedimentgestein besteht. Sie erwarten Ton und Sulphat-Mineralien an dessen Fuß. Wissenschafter des California Institute of Technology in Pasadena malen aber ein trockeneres Bild: Hochauflösende Bilder der Nasa-Raumsonde "Reconnaissance" hätten gezeigt, dass die Gesteinsschichten nicht wie Fluss-Sedimente waagrecht, sondern schräg verlaufen, was auf die Aktivität von Wind und Staub schließen lasse.
Der Mars ist wie die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Mit einem Druck von sieben Millibar ist seine Atmosphäre jedoch heute 150 Mal dünner als die irdische. Seine Luft enthält 0,145 Prozent Sauerstoff, im Unterschied zu 20 Prozent auf der Erde. Forscher gehen davon aus, dass der Rote Planet einst eine viel dichtere Lufthülle besaß. "Unser Job ist, herauszufinden, was die Geschichte dieses Planeten über unseren Planeten erzählt", sagt Jim Bell von der Arizona State University, Wissenschafter der Mission am JPL.
Blick über den Tellerrand
Die Nasa definiert Leben als chemisches System, das sich selbst reproduziert und durch Variation und Selektion komplexer wird. Wie komplex die Suche danach auf anderen Planeten ist, zeigt ein Blick über den Tellerrand. "Es ist gut möglich, dass es völlig anderes Leben gibt - etwa Lebensformen, die auf elektrischer Basis funktionieren", erklärte jüngst etwa der Biochemiker Gottfried Schatz in dieser Zeitung. "Das Leben könnte unter anderen Umständen und andernorts ganz anders konfiguriert sein", sagt auch der deutsche Chemiker Gerhard Wegner. "Curiosity" ist nur ein winziger Baustein in der Suche nach Leben im All.
Ursprünglich sollte der 1,9 Milliarden Euro teure Rover nur zwei Jahre auf dem Mars bleiben. Die Mission wurde jedoch auf "so lange wie möglich" ausgedehnt. Ein bereits geplanter Nachfolger soll 2020 landen. Um Geld zu sparen, soll er auf dem Design von "Curiosity" aufsetzen und Bodenproben sammeln und verpacken, damit diese zur Erde gebracht werden können, wo viel genauere Analysen möglich sind. "Curiosity wird dann den Rest ihrer Tage auf dem Mars verbringen. Sie kann sich mehr als ein Jahrzehnt lang mit Energie versorgen, die unerschrockene Entdeckerin wird also forschen, solange ihre Instrumente funktionieren", sagt Noah Warner, also bis man sagen kann: Curiosity killed Curiosity. Aber vielleicht transportiert ja bei der von der Nasa ebenfalls anvisierten bemannten Mission zum Roten Planeten jemand einmal eine Katze zum Mars.