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Das geplante Fortpflanzungsmedizingesetz stellt keinen Dammbruch dar, sondern ist eine maßvolle Reform.
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Damit hätten wohl viele nicht gerechnet: Im November legten Justiz- und Gesundheitsministerium einen Gesetzesentwurf zur Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes vor, der eine deutliche Liberalisierung vorsieht. Sie reicht über die bloße Reparatur des Gesetzes hinaus, die durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nötig geworden ist. Der hatte im Dezember 2013 die Beschränkung der Reproduktionsmedizin auf heterosexuelle Paare und das Verbot der Eizell- und Samenspende als verfassungswidrig aufgehoben. Gleichgeschlechtliche Paare von der Fortpflanzungsmedizin auszuschließen, bedeutet demnach eine ungerechtfertigte Diskriminierung.
Es ist auch nicht einzusehen, weshalb die Samenspende bei künstlicher Befruchtung in der Gebärmutter erlaubt, im Fall der Befruchtung in der Petrischale (in-Vitro-Fertilisation, IVF) aber verboten bleiben soll.
Mit der Novelle, die jetzt im Nationalrat zur Abstimmung steht, geht die Regierung aber noch einen Schritt weiter. Künftig sollen auch die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik, das heißt die Untersuchung von Embryonen in der Petrischale auf schwere Gendefekte, in engen Grenzen erlaubt sein: nämlich dann, wenn drei oder mehr Versuche der IVF fehlgeschlagen sind, mehrere Schwangerschaften mit einer Totgeburt endeten oder die Gefahr einer schweren Erbkrankheit besteht, die mit erheblichem Leiden für das Kind verbunden wäre.
Verboten bleibt allerdings die Leihmutterschaft - und zwar für heterosexuelle wie homosexuelle Paare. Weil das Verbot unabhängig von der sexuellen Orientierung der Paare mit einem Kinderwunsch gilt, stellt es keine besondere Diskriminierung homosexueller Männer dar.
Während der Gesetzesentwurf manchen nicht weit genug geht - sie fordern zum Beispiel das Recht auf Fortpflanzungsmedizin auch für alleinstehende Frauen, verurteilen andere die Novelle als Dammbruch, als Verstoß gegen Moral und Kindeswohl. Allen voran die römisch-katholische Kirche und ihre Organisationen, die sich ins biopolitische Abseits manövriert haben.
Die Evangelische Kirche A. und H.B. begrüßt den Gesetzesentwurf dagegen als maßvolle Reform, die den gesellschaftlichen Realitäten und auch der Lebenswirklichkeit der eigenen Kirchenmitglieder gerecht wird. Das löst bei manchen Irritationen aus. Wirft die evangelische Kirche alle christlichen und ethischen Grundsätze über Bord und passt sich dem Zeitgeist an?
Ich meine, dass sich die moderne Fortpflanzungsmedizin grundsätzlich mit dem Evangelium und dem Geist der Liebe und der Barmherzigkeit verträgt, aus dem Christen ihr Leben in Verantwortung vor Gott führen sollen. Auch darf die Rechtsordnung eines säkularen Staates nicht allen Menschen ein bestimmtes Familienmodell vorschreiben. Sie hat vielmehr dem Rechtsfrieden in einer freiheitlichen und pluralen Gesellschaft zu dienen, die auch aus Sicht der evangelischen Kirche ein hohes Gut ist.
Mit dem medizinischen Fortschritt steigen die Anforderungen an eine verantwortungsvolle Familienplanung. Auch dürfen die Schattenseiten der Reproduktionsmedizin, zum Beispiel die Gefahr der Ausbeutung von Frauen, nicht verschwiegen werden. Doch weder die evangelische Kirche noch der Gesetzgeber reden einer schrankenlosen Erfüllung des Kinderwunsches das Wort. Dem Schutzbedürfnis von Kindern und Erwachsenen trägt die geplante Reform durchaus Rechnung. Vom Kind nach Maß oder vom Kind um jeden Preis kann daher in Österreich weiterhin keine Rede sein.