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"Keine konkrete Entscheidung" zu heimischer Sputnik-Produktion

Von Michael Ortner

Wirtschaft

Russland sucht mögliche Kooperationspartner bei der Herstellung des Sputnik-V-Impfstoffs. Von Boehringer Ingelheim gab es eine Absage.


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Die Covid-19-Impfstoffe sind knapp, die Nachfrage jedoch groß. In der EU sind bisher Covid-19-Impfstoffe von vier Unternehmen zugelassen: BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson. Immer wieder kommt es aber zu Lieferschwierigkeiten. Einige EU-Länder setzen deshalb auch auf Vakzine, die in der EU noch nicht zugelassen sind, wie etwa den russischen Impfstoff Sputnik V. Ungarn gab etwa bereits grünes Licht zum Verimpfen. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA läuft ein "rolling review"-Verfahren.

In den vergangenen Wochen tauchte Sputnik V immer wieder im Zusammenhang mit Österreich auf. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat Ende Februar mit Russlands Präsident Wladimir Putin über eine mögliche Produktion des Impfstoffs in Österreich gesprochen. Neu angefacht wurden diese Spekulationen durch den Chef des russischen Direktinvestitionsfonds (RDIF), Kirill Dmitriew. Er sagte am vergangenen Wochenende gegenüber Radio Ö1, dass Russland derzeit Verhandlungen mit mehreren österreichischen Unternehmen über die Organisation der Produktion von Sputnik V-Coronavirus-Impfstoffen im Land führe.

Für Alexander Herzog, Generalsekretär vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig), ist das nicht überraschend und nichts Neues. Russland konnte zwar mit Sputnik V den ersten Impfstoff weltweit vorstellen und daraus politisches Kapital schlagen. Doch das Land hinke laut Herzog bei der Produktion hinterher. "Russland hat nicht die Kompetenz für eine Massenproduktion. Das Land steht vor der gleichen Herausforderung wie andere Länder", sagt Herzog. Deshalb stehe Russland nicht nur mit Österreich im Gespräch über eine potenzielle Produktion, sondern auch mit anderen befreundeten Ländern.

Herzog sagt aber: "Es gibt noch keine konkrete Entscheidung über eine Produktion von Sputnik V in Österreich." Jedes Pharmaunternehmen prüfe derzeit, welchen Beitrag es bei der Herstellung von Covid-19-Impfstoffen leisten könne. Dass die fertigen Fläschchen von Sputnik V in Östereich hergestellt werden, kann er sich nicht vorstellen. Eine Teilfertigung sei aber "nicht unwahrscheinlich".

Absage von Boehringer Ingelheim

Eine Abfuhr holten sich die russischen Vertreter beim deutschen Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, das seit 1948 in Wien aktiv ist und seit 1982 Biopharmazeutika produziert. "Boehringer Ingelheim ist im Impfstoffbereich nicht aktiv", sagt Unternehmenssprecher Matthias Sturm zur "Wiener Zeitung". Die Anlage in Wien sei zur Medikamentenherstellung, etwa zur Behandlung von Schlaganfall-Patienten, ausgerichtet und nicht für eine Impfstoffproduktion geeignet. Die russischen Vertreter hätten "offensiv" versucht, "rasch zu einem Ergebnis" zu kommen, sagt Sturm.

Russische Vertreter seien auch nach Italien, Frankreich und Deutschland gefahren, um dort eine mögliche Produktion auszuloten, sagte Pharmig-Präsident Philipp von Lattorff gegenüber der Austria Presse Agentur. Fix geplant sein dürfte eine Produktionsstätte in Italien.

Seit Wochen wird diskutiert, inwiefern in Österreich eine eigene Impfstoffproduktion aufgebaut werden könnte. Die Kapazitäten sind allerdings begrenzt – die "Wiener Zeitung" berichtete. Derzeit wird an zwei heimischen Standorten Impfstoff produziert. Pfizer betreibt ein Werk in Orth an der Donau (Niederösterreich). Dort werden Impfstoffe gegen FSME und einer gegen Meningokokken hergestellt. Auf Covid-19-Impfstoffe umzurüsten, ist nicht möglich. Der zweite Standort ist das Novartis-Werk in Kundl in Tirol. Das Unternehmen gab Anfang März bekannt, die mRNA und den vorformulierten Wirkstoff für CureVac herzustellen. Ein wichtiger Zulieferer für die Covid-19-Impfstoffproduktion von BioNTech/Pfizer sitzt in Klosterneuburg. Polymun hat sich auf Lipid-Nanopartikel spezialisiert, die für den mRNA-Impfstoff gebraucht wird. Das österreichisch-französische Unternehmen Valneva arbeitet derzeit an der Entwicklung eines eigenen Impfstoffs. Wien ist dabei zentraler Forschungs- und Entwicklungsstandort. Produziert wird allerdings in Schottland, abgefüllt in Schweden.

Bestehende Produktionslinien können innerhalb weniger Monate umgerüstet werden. Eine komplett neue Impfstoff-Produktion in Österreich aus dem Boden zu stampfen, würde allerdings Jahre dauern und damit für die jetzige Pandemie zu spät sein. "Wir haben 2016 mit der Errichtung eines neuen Werks in Wien begonnen. Es wird heuer in Betrieb gehen, Ende 2021 werden wir für den Markt produzieren", sagt Boehringer-Ingelheim-Sprecher Sturm.