Die Grünen haben außerhalb der Städte ein Problem. Das hat der Wahlsonntag deutlich gezeigt.
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Salzburg. In der Hektik eines Wahlabends, in der Betriebsamkeit des Tages danach ist noch selten Zeit dafür gewesen, ein Wahlergebnis in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Dafür bietet sich gerade unmittelbar nach einer Wahl der Blick etwas weiter zurück an. So gibt es von Wilfried Haslauer, Salzburger Landeshauptmann, und seiner Stellvertreterin, der Grünen-Spitzenkandidatin Astrid Rössler, zwei Zitate, die den Triumph der ÖVP bei der Salzburger Landtagswahl und den Absturz der Grünen vielleicht besser erklären als alles am Wahlabend Gesagte.
"Der große Disput resultiert daraus, dass die Grünen den ländlichen Raum als Erholungsraum für die Städter sehen, wir sehen ihn als Entwicklungsraum für die ländliche Bevölkerung", so Haslauer beim ÖVP-Landesparteitag 2016. Er sagte das damals mit Blick auf die Diskussion um das inzwischen beschlossene Raumordnungsgesetz. Kurz vor der Wahl sagte Rössler indes zur "Wiener Zeitung": "Der Naturschutz spricht stark auch Menschen an, die Natur als Freizeit- und Erholungsraum wahrnehmen." Und: "Mit dem Thema Raumordnung habe ich mich in den letzten fünf Jahren ganz intensiv dem ländlichen Raum zugewendet."
Der Triumph in Innsbruck passt in ein Schema
Goutiert haben das die dortigen Wähler ganz offensichtlich nicht. Denn halbwegs gerettet haben den Grünen das Ergebnis die Städter in der Landeshauptstadt und im Zentralraum, wo die Ökopartei überall deutlich überdurchschnittlich abschnitt, mit 15,8 Prozent am besten in Salzburg-Stadt. Dagegen war der Einbruch in den Gebirgsgauen besonders massiv. Im Pongau und Lungau verloren die Grünen mehr als zwei Drittel ihrer Wähler von 2013, im Pinzgau waren es immer noch knapp zwei Drittel Verlust.
Die ÖVP gewann im Pinzgau und Lungau jeweils rund zehn Prozentpunkte dazu und fuhr in den zentrumsfernsten Bezirken ihre jeweils größten relativen Zugewinne ein. Zwar gab es in der Stadt Salzburg erstmals Platz eins bei einer Landtagswahl, das ist aber eher ein symbolischer Triumph. Gewonnen hat die ÖVP die Wahl auch dort, besonders aber in den ländlichen Regionen. Dort spielte die ÖVP ihre organisatorische Breite mit 97 Bürgermeistern bei 119 Gemeinden voll aus.
Dagegen war der Wahlsonntag für die Grünen gleich in mehrerlei Hinsicht sehr ambivalent. Einerseits setzte es in Salzburg ohne Zweifel eine krachende Wahlniederlage, die Rössler dazu veranlasste, dem Parteivorstand am Montag ihren Rücktritt anzubieten. Andererseits war es im Bundesland dennoch das zweitbeste Ergebnis in der Parteigeschichte. Dazu kam ein triumphaler Sieg in Innsbruck mit Platz eins in der ersten Runde der Bürgermeisterwahl und in der Gemeinderatswahl. Auch wenn das Ergebnis widersprüchlich zu dem in Salzburg scheint, passt es doch in ein Schema.
Denn bei der Tiroler Landtagswahl kamen die Grünen in Innsbruck auf 19 Prozent. Das ist nicht viel mehr als das nunmehrige Ergebnis in Salzburg-Stadt. Der Zuwachs bei der Gemeinderatswahl dürfte auf Spitzenkandidat Georg Willi zurückzuführen sein, der mit Platz eins in der Bürgermeisterwahl in Innsbruck offenbar gut angekommen ist. Und Innsbruck ist zwar kleiner als Salzburg, aber ohne Zweifel eine Stadt. Und hätten etwa bei der Nationalratswahl nur Städte gewählt, würden die Grünen nach wie vor im Nationalrat sitzen.
Hajek: Landbevölkerung wird nicht erreicht
Die Salzburger Landtagswahl hat das strategische Problem der Grünen nur wieder deutlich aufgezeigt. "Sie haben es seit Anbeginn ihrer politischen Karriere nicht geschafft, den Sprung aus der Stadt hinaus zu schaffen, weil sie schlicht und einfach die Landbevölkerung nicht erreichen", sagte Politikberater Peter Hajek einmal zur "Wiener Zeitung".
Mit jeweils deutlich über zehn Prozent auch in den Gebirgsgauen hatten es die Salzburger Grünen bei der Landtagswahl 2013 mit der Spezialsituation Finanzskandal eigentlich schon in den ländlichen Raum geschafft, nun gab es die Rückkehr zur bundesweiten Normalsituation.
Salzburger wählten Grüne 2013 als Kontrollpartei
Vielleicht waren die vergangenen fünf Jahre in Salzburg aber einfach nur ein großes Missverständnis. Die Salzburger hatten Rössler als beharrliche und strenge Vorsitzende im Untersuchungsausschuss zum Finanzskandal kennengelernt - und die Grünen als Kontrollpartei gewählt. Was sie bekamen, war dann aber eine freundliche Grün-Politikerin, die für gute Luft und neue Raumordnung kämpfte und dafür auch unangenehme Maßnahmen umsetzte. "Ich bin schon ein bissl für grüne Politik", sagte ein potenzieller Wähler zu Rössler bei einem Wahlkampfauftritt im Pongau. Aber mit ihrer Widmungspolitik verhindere sie Arbeitsplätze, warnte der Pensionist.
Vielleicht lieferte Parteikollege Willi den Salzburger Grünen die Analyse schon vor dem Wahltag. "So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle", sagte Willi wenige Tage vor der Wahl. Das Zitat ließe sich wohl um die Themen Raumordnung und Luftgüte erweitern. Willi sorgte mit seinem Sager für Aufregung in grünen Kreisen, die Wahl gewann er trotzdem.