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Keine Landung in Kaliningrad

Von Martyna Czarnowska

Politik

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Das Flugzeug fliegt in vier Stunden. Auf das Visum warte ich schon drei Wochen. Treffpunkt ist Warschau, danach geht es mit dem Bus nach Kaliningrad. Die Reise ist von polnischer Seite organisiert, in Polen akkreditierte JournalistInnen sollen einen Eindruck vom ehemaligen Königsberg und der künftigen russischen Enklave innerhalb der Europäischen Union bekommen. Von Wien kommend soll ich in Warschau dazustoßen. Bloß: Das Visum fehlt.

Seit drei Stunden hänge ich nun am Telefon, wähle abwechselnd die österreichische Botschaft in Moskau und die russische Botschaft in Wien an. "Wir haben noch keine Information aus dem russischen Außenministerium erhalten", heißt es aus Moskau: "In einer halben Stunde wissen wir mehr." "Wir warten auf ein Fax aus Moskau. Ohne Anweisung des Außenministeriums können wir kein Visum ausstellen", heißt es in Wien: "Wir melden uns in einer halben Stunde."

Das Flugzeug fliegt in drei Stunden. Die österreichische Botschaft hat noch immer keine Information, die russische wartet noch immer auf ein Fax. "Geben Sie uns noch zehn Minuten, das Ministerium meldet sich sicher gleich." Eine der polnischen Organisatorinnen ruft an: "Wie schaut's aus mit dem Visum?" Die von Polen reisende Gruppe hat ihre Papiere bereits erhalten. "Probieren Sie es weiter, rufen Sie alle zehn Minuten an", rät sie mir. Auch der polnische Presseattaché ist bereits eingeschaltet.

Seit zwei Wochen wartet die russische Botschaft nun auf ein Fax aus Moskau. Mein Ansuchen habe ich damals an die österreichische Vertretung geschickt, die alles an das Außenministerium weitergeleitet hat. Eine Woche später frage ich nach. Das Ministerium habe noch nicht geantwortet, die Botschaft werde urgieren. Der nächste Anruf ist unpassend: In den kommenden Tagen werde nicht gearbeitet - Feiertage. "Aber am Montag können wir weitersehen", sucht mich der russische Presseattaché zu beschwichtigen. Aber am Montag soll ich schon in Warschau sein. "Wir können das Visum am selben Tag ausstellen, an dem wir die Anweisung aus Moskau erhalten haben", tröstet er mich.

Das Flugzeug fliegt in zwei Stunden. Sollte das Ministerium grünes Licht geben, muss ich noch mein Visum in der Konsularabteilung holen. "Sobald wir etwas wissen, melden wir uns bei Ihnen", heißt es aus Moskau. "Nein, wir haben noch keine Anweisung", heißt es in Wien. Angeblich fehle dem Ministerium eine Teilnehmerliste. Blödsinn, sagt die polnische Organisatorin. Es sei alles vor Wochen übermittelt worden.

Eine halbe Stunde später kommt der Anruf von der österreichischen Botschaft. Die Visum-Erteilung wird mir verweigert. Begründung: Das Russische Außenministerium sei weder von Polen noch vom Gebiet Kaliningrad über die Reise offiziell informiert worden. Eine halbe Stunde später ruft auch der russische Presseattaché an: Er habe noch immer keine Anweisung aus Moskau erhalten. Das Flugzeug nach Warschau hebt pünktlich ab - ohne mich.