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(K)eine leichte Entscheidung

Von Pia Miller-Aichholz

Politik

Jedes Jahr stehen tausende Menschen nach ihrem Schulabschluss vor der Frage: Studieren? Und wenn ja, was?


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Wien. Jahrelang ist der Bildungsweg mehr oder weniger vorgegeben, nach dem Schulabschluss ist alles offen. Besonders AHS-Absolventen werden während ihrer Schulzeit nicht ausreichend auf die Entscheidungen nach der Matura vorbereitet, geht aus AMS-Berichten hervor. Zwar gebe es Angebote zur Bildungs- und Berufsorientierung, aber die würden nicht ausreichend genützt und wären ausbaufähig, sagt Michael Landertshammer, Leiter des Wifi Österreich: "Bei Berufsbildenden Höheren Schulen und Lehren ist das anders. Da fällt wesentlich früher eine Entscheidung und man wird früher mit der Wirtschaft konfrontiert."

Aus den Aufzeichnungen der Statistik Austria geht hervor, dass in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr inländische Studierende höhere Ausbildungen abgeschlossen haben. Besonders viele Abschlüsse gibt es in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Beispielsweise kamen vergangenes Jahr auf 878 landesweit ausgeschriebene Stellen im Rechtsbereich 2250 Absolventen einschlägiger Studien; laut Experten kein Grund, nicht Jus zu studieren. "Es gibt kein Studium, zu dem man sagen kann: Nein, um Gottes Willen, machen Sie das nicht", stellt Landertshammer fest. Primär solle man sich mit den eigenen Interessen, Stärken und Schwächen auseinandersetzen und ein passendes Studium wählen. Die wirtschaftliche Relevanz ergebe sich im Laufe der Jahre. Ähnlich sehen es René Sturm, Leiter der Abteilung für Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS, und Franz-Peter Stadler von der Wifi-Bildungs- und Berufsberatung. Sie raten davon ab, aus wirtschaftlichen Überlegungen gegen die eigenen Neigungen zu agieren.

Ob man für ein Fach geeignet ist, ergebe sich ohnehin erst im Studium, sagt die Psychologin Kathrin Wodraschke, stellvertretende Leiterin der Psychologischen Studierendenberatung. Bachelorstudiengänge, denen kein Aufnahmeverfahren vorgelagert ist, beginnen mit der Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP). In dieser lernt man die Studieninhalte grob kennen und kann im Zuge der ersten Prüfungen feststellen, ob man für das Studium geeignet und weiterhin daran interessiert ist. Nur wer die StEOP positiv abschließt, kann weiterstudieren.

MINT, bitte

Hochschulabsolventen haben allgemein gute Jobchancen. Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 8,5 Prozent in Österreich waren laut AMS im Vorjahr 5,8 Prozent der AHS-Abgänger arbeitslos. Unter Akademikern lag die Quote bei 3,4 Prozent.

Solide Arbeitsmarktaussichten haben jedenfalls Absolventen in MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie und ihren diversen Abwandlungen. In diesen Bereichen sei die Nachfrage gestiegen, so die Experten. Das AMS rechnet außerdem mit einem wachsenden Bedarf an Medizinern, Pflegepersonal und Sozialarbeitern. Und da viele Lehrer knapp vor der Pensionierung stehen, während die Anzahl der Schüler auch aufgrund der Zuwanderung steigt, werden künftig mehr Lehrkräfte benötigt - besonders in Wien.

Ein bisserl mehr

Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung, Internationalisierung und Automatisierung muss man in allen Berufen gut mit digitalen Technologien umgehen können. Es reiche nicht mehr aus, "digital native" zu sein, stellt
René Sturm vom AMS fest. Man brauche vertiefte Kenntnisse, müsse in der Lage sein, mit Datenbanken umzugehen, online zu recherchieren und Wert und Verlässlichkeit der gefundenen Informationen zu bewerten.

Ebenfalls von Vorteil ist, Fremdsprachen zu sprechen, Zeit im Ausland verbracht und Zusatz- und Weiterbildungen absolviert zu haben. Die klassischen "soft skills" sind aber nach wie vor auch wichtig, sind sich die Experten einig. Darunter fallen die Fähigkeit, sich auf hohem Niveau auszutauschen und auszudrücken, aber auch Führungsqualitäten oder Teamfähigkeit. "Ein reiner Techniker zu sein, der in einem Kämmerchen sitzt und keine Möglichkeit hat, sich zu verständigen, ist genauso schlecht, wie jemand, der nur redet, aber nichts weiß", fasst Landertshammer zusammen.

Generell oder speziell

Ob man besser an der Universität oder an einer Fachhochschule studiert, ist vor allem vom Lerntyp abhängig. An Universitäten muss man sich selbst organisieren. Wer gerne wissenschaftlich arbeitet oder sogar eine Karriere als Wissenschafter anstrebt, ist dort gut aufgehoben. An Fachhochschulen ist der Ablauf reglementierter. Hier arbeitet man strukturiert, angeleitet und lernt praxisorientiert. Daneben gibt es bestimmte Ausbildungen, die ausschließlich an der FH angeboten werden, beispielsweise solche für Sozialarbeit oder für gehobene Pflegeberufe, die mittlerweile akademisiert wurden.

Unternehmen haben keine grundsätzliche Präferenz gegenüber FH- oder Universitäts-Absolventen, sagt Landertshammer. Es ist vom Einzelfall abhängig, ob sie einen Generalisten mit Uni-Abschluss suchen, der in großen Zusammenhängen denkt und wissenschaftliches Arbeiten gelernt hat, oder einen Spezialisten von der FH, der in der Regel mehr Praxiserfahrung mitbringt. Die Unternehmensberatung Ernst & Young rekrutiert sowohl Universitäts- als auch Fachhochschulabgänger. Da wie dort gebe es exzellente Leute, sagt EY-Personalchefin Esther Brandner-Richter. Im Auswahlprozess achtet sie sehr auf Persönlichkeit und Strebsamkeit der Bewerber, sowie fachliche Spezialisierungen. Brandner-Richter sieht sich auch an, ob und wo sie bereits Praxiserfahrung gesammelt haben und im Ausland waren. Neue OMV-Mitarbeiter kommen meist von Universitäten, weil die gesuchten Bildungsinhalte an Fachhochschulen nicht angeboten werden. Daneben sind im Bewerbungsprozess aber auch hier Fremdsprachenkenntnisse und Eigenschaften wie Teamfähigkeit und Pioniergeist gefragt.

Viele Bachelor-Absolventen schließen direkt ein Master-Studium an. Das sei nicht im Sinne der Erfinder des Bologna-Prozesses, erklärt René Sturm. Geplant war, dass Studenten mit einem Bachelor-Studium einen Grundstein legen, dann Berufserfahrung sammeln und anschließend einen Master als geeignete Spezialisierung wählen. Ob ein Bachelor-Abschluss ausreicht, ist grundsätzlich von der aktuellen wirtschaftlichen Bedarfslage abhängig, so Sturm. Zumindest in Massenstudienfächern, wie den Wirtschafts- und den Sozialwissenschaften, ist die Konkurrenz am Arbeitsmarkt hoch, stellt der Berufsberater Franz-Peter Stadler fest, und ein möglichst hoher Bildungsabschluss von Vorteil.

Psychologische Studierendenberatung

www.studierendenberatung.at
in Wien unter 01/402 30 91
Mo.-Fr. 9-12 und 13-15 Uhr,
außer Di. Vormittag

Bildungsberatung des Wifi

www.wifiwien.at
01/476 77 5369
Mo.-Fr. 8:30-17:00 Uhr