Gyurcsany blitzt mit Vorschlag für Milliardenpaket ab. | Ringen um Signal der Einigkeit. | Brüssel. Die EU ringt darum, von der Krise nicht auseinandergerissen zu werden. Die Hilfe für die Rettung vor dem Bankrott in Osteuropa soll daher keinesfalls "Osteuropa-Hilfspaket" oder so ähnlich genannt werden, um das Gefühl einer Spaltung der EU gar nicht erst aufkommen zu lassen. Völlig klar schien dagegen, dass dem Osten geholfen werden muss.
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Diesen weiteren Mosaikstein im Ringen um adäquate, gemeinsame Antworten auf Rezession und steigende Arbeitslosenzahlen lieferte das außerordentliche Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag. "Die Europäische Union darf in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht auseinanderbrechen", fasste es der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann zusammen.
Offen blieb freilich, wie im Detail gegen den drohenden Finanzkollaps im Osten vorgegangen werden soll. Lediglich, dass die "finanzielle Stabilität in Europa wichtig" sei, befanden die EU-Spitzen. Die EU-Finanzminister sollen gemeinsam mit der EU-Kommission Modelle ausarbeiten, wie Ländern mit ernsten Problemen im Anlassfall geholfen werden kann. Bei ihrem Treffen am 10. März sollen sie die österreichische Initiative zur Rettung der Finanzwirtschaft im Osten erstmals eingehender besprechen.
Plattform mit anderen Finanzinstitutionen
Dem Vernehmen nach handelt es sich um die Schaffung von Gremien oder Plattformen, die unter Leitung der EU-Kommission maßgeschneiderte Hilfspakete für Länder schnüren, die in finanzielle Bedrängnis geraten. Dabei sollen die internationalen Finanzinstitutionen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds sowie die Europäische Investitionsbank EIB und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Diese Vorgehensweise soll inzwischen auch in der EU-Kommission einige Unterstützung gefunden haben.
Für ein Osteuropa-Hilfspaket, dass in Zahlen gefasst werden kann, schien der EU-Gipfel dagegen das Ende zu markieren: Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, kam der ungarische Premier Ferenc Gyurcsany mit einem eigenen Vorschlag heraus, den er auf einen Umfang von 160 bis 190 Milliarden Euro präzisierte. Die Aufweichung der Beitrittskriterien für die Eurozone wird in der Endversion des ungarischen Vorschlags für ein "Europäisches Stabilisierungs- und Integrationsprogramm" nur noch angedeutet. Dennoch gab es wenig positive Resonanz für den Ungarn.
Auch Polen distanzierte sich entschieden davon, die Anforderungen für die Aufnahme in den Euro-Klub abzuschwächen. Nachdem Premier Donald Tusk das im Vorfeld des Gipfels noch angeregt hatte, stellte sich Finanzminister Jacek Rostowski am Sonntag entschieden dagegen. "Nein, Nein und nochmals Nein", sagte er zum ungarischen Vorstoß. "Ich spüre, dass wir mehr Solidarität und Verantwortungsbewusstsein für ganz Europa brauchen", sagte schließlich auch Tusk im Sinne der neuen Linie.
Hintergrund für den Widerstand dürfte auch sein, dass Warschau inzwischen die Hoffnunglosigkeit des Unterfangens gegen Länder wie Deutschland klar geworden ist. Für Berlin und seinen Finanzminister Peer Steinbrück gilt der Euro-Stabilitätspakt mit seinen Beitrittskriterien als heilige Kuh. Außerdem schien Bundeskanzlerin Angela Merkel verärgert zu sein, dass Gyurcsany entgegen der inzwischen üblichen Praxis weiterhin munter in aller Öffentlichkeit Beträge in dreistelliger Milliardenhöhe herumtrompetet. "Ich rate nicht dazu, hier mit Riesenzahlen in die Debatte zu gehen", bemerkte Merkel knapp.
Auch das amtierende EU-Vorsitzland Tschechien, die Slowakei und Estland erteilten Gyurcsany eine Abfuhr. Der tschechische Vizepremier Alexandr Vondra und der slowakische Regierungschef Robert Fico, dessen Land bereits Mitglied der Eurozone ist, betonten die wirtschaftlich völlig unterschiedliche Betroffenheit der neuen EU-Länder. Vondra hatte bereits mehrmals ausgeführt, dass die Tschechen aufgrund der konservativen Geschäftspraxis ihrer Banken gut aufgestellt seien.
Keine Notwendigkeit für Spezifische Hilfe für mittel- oder osteuropäische Staaten sah auch der estnische Premier Anrus Ansip: "In manchen Euro-Staaten sind die finanziellen Probleme wesentlich größer als in einigen sogenannten neuen Mitgliedstaaten", sagte er.
Gemeinsame Strategie für G-20-Gipfel
Neben der prekären Lage im Osten widmeten sich die 27 Staats- und Regierungschefs auch der Ausarbeitung eines EU-Standpunkts für den Weltwirtschaftsgipfel in London Anfang April. Die europäischen G20-Mitglieder Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien hatten dafür bereits ein Woche davor die Leitlinien vorgegeben: So sollen alle Finanzinstitute und Wertpapiermärkte künftig umfassend überwacht werden.
Zur Konsolidierung der Bankbilanzen in der EU soll die Möglichkeit geschaffen werden, Hochrisikowert papiere mit Hilfe von staatlichen Subventionen auszulagern. Dabei müssten die Finanzinstitute allerdings ebenfalls massiv zur Kasse gebeten werden.