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Keine Mehrheit für Balkenendes Wunschkoalition Mitte-Rechts

Von Edgar Denter

Politik

Den Haag - Der christdemokratische Ministerpräsident der Niederlande, Jan Peter Balkenende, hat das Ergebnis der Parlamentswahl vom Mittwoch zunächst breit strahlend aufgenommen. Nach einer schwierigen Regierungszeit von wenigen Monaten hatte der Wähler seine Partei doch als stärkste politische Kraft bestätigt. Aber ein zweiter Blick auf die Sitzverteilung trübte die Freude. Seine Wunschkoalition einer Mitte-rechts-Regierung hat keine Mehrheit.


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Stattdessen zwingen ihn die Verhältnisse dazu, die Chancen für eine Mitte-links-Verbindung mit den Sozialdemokraten ernsthaft zu prüfen. Gerade diesen Weg wollte er vermeiden.

Der alte und möglicherweise neue Regierungschef hatte im Wahlkampf betont, dass er der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) nicht über den Weg traue. Die Finanzierung ihrer politischen Pläne sei alles andere als gesichert, kritisierte er. Der von CDA-Anhängern als "Verkörperung christdemokratischen Denkens" charakterisierte Balkenende machte klar, dass er keinen Anlass zur Rückkehr in vergangene Zeiten sah, als Christ- und Sozialdemokraten häufiger Koalitionen bildeten. Für kostspielige Experimente seien angesichts leerer Staatskassen die Zeiten zu ernst, erklärte er abweisend.

Das Wahlergebnis lässt rechnerisch die Möglichkeit zu, dass die CDA (44 Abgeordnete) und die rechtsliberale VVD (28 Abgeordnete) doch eine Mehrheit finden, wenn sie die acht Rechtspopulisten der Liste Pim Fortuyn (LPF) und/oder die sechs Abgeordneten der linksliberalen D66 gewinnen könnten. Balkenende räumte aber schon am Wahlabend ein, dass eine Neuauflage der gerade geplatzten Koalition mit der LPF dem Wähler nicht erklärt werden könne. Dazu hatten sich die Fortuynisten gar zu wild aufgeführt. Der zweite potenzielle Kandidat entzog sich selbst allen Spekulationen. Im Verlust eines Mandats sei wahrlich kein Regierungsauftrag zu entdecken, hieß es bei D66.

Eine zusammengestückelte Koalition würde auch dem neuen Selbstverständnis der niederländischen Politik widersprechen. Schließlich haben die Parteien gelobt, dass sie mehr als in der Vergangenheit auf die Wähler hören wollen. Weil sie dies früher zu wenig taten, habe schließlich der Polit-Rebell Pim Fortuyn im vergangenen Jahr die Politik in Den Haag auf den Kopf stellen können. Fortuyn wurde von einem Einzelgänger erschossen, bevor er sich im Parlament bewähren konnte. Aber die Lektion, die er gab, wurde aufgenommen. Hinterzimmerpolitik alten Stils, von der die Wähler ausgeschlossen wären, gilt seither als tabu.

Balkenende, den sie wegen seines Erscheinungsbildes auch Harry Potter nennen, wird Zauberkräfte benötigen, wenn er schnell einen Ausweg aus dem Dilemma finden will. In Den Haag wird eine lange Zeit der Regierungsbildung erwartet. Sie könne Monate dauern, heißt es.