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Keine Nacht der langen Messer, aber viele Konfliktherde und Sorgenkinder

Von Stefan Melichar

Analysen

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl könnte als großer Reformer in die Geschichte eingehen - oder an seinen ambitionierten Plänen scheitern. In den kommenden Monaten wird über die zukünftige Struktur und Finanzierung der Kammer entschieden. - Höchste Zeit für die Interessensgruppen, ihre Geschütze in Stellung zu bringen.


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Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) will - nach einem ersten Reformschritt 2002 - die Zahl ihrer Fachorganisationen von 129 auf rund 80 reduzieren. Dabei muss Leitl auf der einen Seite Organisationseinheiten fusionieren und auf der anderen den Mitgliedern weiterhin die Möglichkeit geben, ihre Identität in der Kammerstruktur wiederzufinden. Dieser Spagat soll gelingen, indem schwache Fachorganisationen mit einer geringen Mitgliederzahl und einem niedrigen Eigenfinanzierungsgrad vor die Wahl gestellt werden, sich entweder branchen- oder länderübergreifend zusammenzuschließen.

Nach außen stellt Leitl dabei das Prinzip der Wahlfreiheit in den Vordergrund, nach innen muss er wohl mit eiserner Hand die Terrainkämpfe schlichten. Immerhin dürfte sich die Zahl der Kammerfunktionäre im Rahmen der Reform von 17.000 auf 12.000 reduzieren. Viele werden um ihre Position zittern müssen.

Dass es zu einer Nacht der langen Messer kommen könnte, ist allerdings unwahrscheinlich. Leitl hat sein Talent als Sanierer bereits beim ersten Schritt der Kammerreform, bei der man sich von rund einem Fünftel der Mitarbeiter getrennt hat, unter Beweis gestellt. Dass es diesmal nicht um Vollzeitjobs, sondern um ehrenamtliche Funktionäre geht, dürfte die Sache nicht einfacher machen.

Zu allem Überdruss wollen einzelne Fraktionen die Gelegenheit nutzen, das Finanzierungskonzept zu ihren Gunsten zu verändern. Studien und Befragungen zum Thema "Beitragsgerechtigkeit" sind bereits im Umlauf - wobei natürlich jeder etwas Anderes unter diesem Begriff versteht.

Die Industrie, die für einen großen Teil des WKO-Budgets aufkommt, möchte Kleinstunternehmen stärker zur Kasse bitten, die bis dato nur für ihre Fachorganisation, nicht aber für den Erhalt der Gesamtstruktur zahlen - allerdings profitieren sie auch weniger von kostspieligen Services. Die Grüne Wirtschaft hat sich auf die Seite dieser 140.000 - meist - Ein-Personen-Unternehmen geschlagen, die der WKO-Präsident als "unsere Kinder" bezeichnet.

Kinder verursachen aber nicht nur, wie Leitl meint, erhöhten Betreuungsaufwand. Die eher dem grün/roten Spektrum zuordenbaren Sprösslinge machen dem schwarzen Wirtschaftsbund gehörig Kopfzerbrechen. Leitl wird ein goldenes Händchen brauchen, um hier einen tragfähigen Kompromiss zuwege zu bringen.

Auf einen solchen dürfte wohl auch die angekündigte Abschaffung der vielkritisierten Mehrfachmitgliedschaften hinauslaufen. Da hier für die Kammer bis zu 10 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, könnte man sich damit begnügen, deren Zahl zu reduzieren.