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Keine neuer Zeitplan für EU-Vertrag

Von WZOnline

Europaarchiv

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihren Krisenberatungen nach Ablehnung des Lissabon-Reformvertrags in Irland keinen Zeitplan für eine Lösung vereinbart. "Wir haben keine Fristen gesetzt, weder für Irland, noch für irgendein anderes Land", sagte der slowenische Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzende Janez Jansa beim EU-Gipfel in der Nacht auf Freitag in Brüssel.


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Es sei noch "zu früh" um ein abschließendes Urteil über das irische Referendum abzugeben, sagte Jansa. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass der nächste EU-Gipfel im Oktober die Frage der Konsequenzen des negativen Ausgangs weiter diskutieren werde. Endgültige Schlussfolgerungen der jetzigen Gipfeldebatte könnten noch nicht gezogen werden, sagte Jansa. "Wir wollen nach einer guten, befriedigenden Lösung suchen, um aus der Krise herauszukommen."

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte, er sei zuversichtlich, dass alle EU-Staaten, die den Vertrag noch nicht ratifiziert haben, den Ratifizierungsprozess auch abschließen würden. Die Regierungen hätten mit dem Vertrag auch eine entsprechende Verpflichtung übernommen. "Wann der Prozess abgeschlossen sein wird, können wir nicht sagen." In einigen europäischen Ländern gebe es Verzögerungen durch die Anrufung von Verfassungsgerichten, sagte Barroso. Es sei ein "positives Zeichen", dass Großbritannien die Ratifizierung des EU-Vertrags abgeschlossen habe. Am Donnerstagabend hatte Irlands Außenminister Micheal Martin Hoffnungen gedämpft, Irland könnte bereits im Oktober konkrete Vorschläge für einen Ausweg aus unterbreiten.

Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker geht laut dpa davon aus, dass auch nach dem Nein der Iren die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages weitergeht. Keins der sieben ausstehenden EU-Länder habe signalisiert, den Prozess zu stoppen. Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolánek hat aber sehr wohl Zweifel an der Fortsetzung der Ratifizierung des EU-Reformvertrags in seinem Land. "Um ehrlich zu sein: Stünde die Ratifizierung jetzt an, würde ich nicht einmal 100 Kronen (gut 4 Euro) daraufsetzen, dass es ein Ja gibt", sagte Topolánek.

Der Präsident des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering, forderte ein Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages bis zu den Europawahlen im Juni 2009. Er bekräftigte, dass die EU nach Auffassung des Europaparlaments keine weiteren Erweiterungen durchführen könne, solange der Reformvertrag nicht in Kraft sei, "vielleicht mit Ausnahme Kroatiens". Jansa betonte dagegen: "Ich glaube, dass wir einen Ausweg finden werden, wenn ein Kandidatenstaat reif ist für die Beitrittsentscheidung." Dem widersprach laut dpa der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy. "Ohne den Lissabon-Vertrag gibt es keine Erweiterung", sagte er. Diese Ankündigung betreffe auch Kroatien. Sarkozy sagte, er sei kein Gegner der Erweiterung. Er finde es jedoch merkwürdig, dass Europa es nicht schaffe, seine Institutionen zu reformieren, während weiter Länder aufgenommen würden.

Das zweite große Thema des Gipfels betrifft die gestiegenen Energiepreise. Die EU will auf die hohen Rohstoffpreise mit Hilfsmaßnahmen reagieren. "Für unsere Bürger ist das derzeit das wichtigste Problem", sagte Barroso. Die EU sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. Kurzfristige Hilfe mache aber nur Sinn, wenn sie gemeinsam mit langfristigen Verhaltensänderungen in der EU geschehe. "Wir müssen uns anpassen an eine Situation, in der die Energiepreise wahrscheinlich dauerhaft hoch sind", sagte der Kommissionspräsident.

Er habe die Regierungen darauf hingewiesen, dass sie für die am schlimmsten betroffenen Bevölkerungsgruppen Sondermaßnahmen ergreifen können und die EU-Regeln soziale Maßnahmen nicht verhindern. "Wenn die Regierungen das entscheiden", könnten sie helfen, sagte Barroso. Die Notmaßnahmen müssten aber mit den langfristigen Zielen der EU in Einklang sein, die auf mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien abzielten.

Bis zum Herbst werde die EU-Kommission auch Vorschläge zur Besteuerung von Energie vorlegen und Regelungen für besonders energieintensive Produkte erstellen, sagte Barroso. Die Mitgliedsaaten könnten selbst bei Verbrauchssteuern Maßnahmen setzen oder die durch höhere Preise erzielten Gewinne von Ölgesellschaften besteuern. (APA)

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