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Keine Panik bei Verzugszinsen

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Kein Schadenersatz, sondern "Entgelt für Kapitalnutzung". Der Verwaltungsgerichtshof hat Verzugszinsen, die bisher als steuerfrei angesehen wurden, grundsätzlich als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen angesehen *) (Die "Wiener Zeitung" hat in der Dienstag-Ausgabe ausführlich berichtet). Die durch das Judikat in der Öffentlichkeit verursachte Panikmache ist freilich unnötig.


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Verzugszinsen fallen hauptsächlich im kommerziellen Bereich der Unternehmen an, und dort hat an ihrer Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht bisher niemand gezweifelt. (Nur umsatzsteuerlich wären sie eindeutig auszugliedern). Im privaten Bereich - und nur darauf hat das Höchstgericht Bezug genommen - wären sie als "Vermögensvermehrungen" zu erfassen; dort sind sie aber eher selten.

Kapitaleinkünfte mit Freibetrag

Verzugszinsen kommen im Privatbereich vor, wenn Arbeitsentgelte an Dienstnehmer (etwa aufgrund eines Arbeitsgerichtsverfahrens) nachbezahlt werden müssen; wenn Unterhaltszahlungen verspätet sind, Kaufvertragssummen zu spät geleistet werden, oder wenn sich - wie im VwGH-Fall - Versicherungsgesellschaften mit ihren Schadensabwicklungen allzu lange Zeit lassen. Im ersteren Fall wären die Zinsen zusätzlicher Lohn oder Gehalt, aber ohne Lohnsteuerabzug, daher eigentlich steuererklärungspflichtig. Bei Dienstnehmern (Pensionisten) wären die sonstigen Zinsen zwar "Kapitaleinkünfte" - in beiden Fällen käme aber der Nebeneinkünfte-Steuerfreibetrag von 10.000 Schilling jährlich (jetzt 730 Euro) zur Wirkung, sofern er noch nicht anderweitig ausgenützt ist. Nur bei Selbständigen könnten die Zinsen voll durchschlagen, aber nur bei hohen Jahreseinkommen wären sie tatsächlich knapp zum Höchststeuersatz zu versteuern. Wie viele solche Fälle wird es wohl geben?

Muss man jetzt - im Fall erhaltener Verzugszinsen - tatsächlich zum Finanzamt pilgern, Selbstanzeige und Buße tun? Einerseits ist in dem VwGH-Erkenntnis - entgegen Zeitungsmeldungen - kein Wort von einer fünfjährigen Nachversteuerung zu lesen. Das ließe sich höchstens aus der allgemeinen Verjährungsfrist ableiten. Dazu verweist man in der Finanzverwaltung aber auf die Bundesabgabenordnung, wonach eine geänderte Rechtsauslegung durch das Höchstgericht nicht rückwirkend zum Nachteil eines Steuerzahlers berücksichtigt werden darf.

Es ist kaum anzunehmen, dass der Fiskus nun von sich aus eine umfangreiche "Nachholaktion" für die Vergangenheit startet, sondern eher das VwGH-Erkenntnis für die Zukunft wirken lässt. Die Ansage an alle Aufgescheuchten heißt also jetzt: Mal ruhig abwarten.

*) VwGH Zl. 96/14/0087 v. 19.3.2002