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"Keine Panzer, keine Bomber"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Das Bundesheer soll polizeiartige Einsätze im Rahmen von EU-Missionen durchführen, fordert Pilz. Foto: Reuters

SPÖ-Wahlkampfgag verunmöglicht Sicherheitsdebatte. | Keine Teilnahme an Battlegroups. | Darabos "nett, aber für Amt ungeeignet". | "Wiener Zeitung": Seit Wochen wird über die Wehrpflicht debattiert, erst am Montag begannen die Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP über die neue Sicherheitsdoktrin. Lief da nicht die Diskussion von Anfang an in die falsche Richtung?


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Peter Pilz: Leider. Das ist erstklassiger sicherheitspolitischer Pfusch. Seriöse Arbeit heißt: Zuerst die neuen Bedrohungen analysieren, daraus die neuen Aufgaben ableiten, daraus eine neue Sicherheitsdoktrin erarbeiten und dann feststellen, wie ein neues Bundesheer aussehen muss. Nur ist das durch die Wahlkampfgags der SPÖ verunmöglicht worden.

Also ist ein Zurück-zum-Start gar nicht mehr möglich?

Nein, weil erstens nur noch über die Wehrpflicht diskutiert wird und weil zweitens 38.000 jungen Männern von Seiten der SPÖ ein Versprechen gemacht wurde, dass es im nächsten Jahr keinen Zwangsdienst mehr geben wird. Mit solchen Versprechen kann man nicht leichtfertig umgehen.

Was erwarten Sie von den Gesprächen zwischen SPÖ und ÖVP?

Ich erwarte mir gar nichts, weil die Papiere von SPÖ und ÖVP sachlich unbrauchbar sind. Wir brauchen jetzt eine Vereinbarung über eine schnelle Durchführung der Volksbefragung zur Wehrpflicht und schnelle Aufnahme parlamentarischer Verhandlungen über die Sicherheitsdoktrin. Solange Darabos und Spindelegger miteinander die Doktrin verhandeln, kommt mit Sicherheit nichts heraus. Wir müssen das ins Parlament bringen, um es zu retten, denn die Abgeordneten leben verglichen mit der Bundesregierung in einer Oase der Vernunft.

Sie sagen, man muss zuerst die neuen Bedrohungen analysieren. Wo liegen diese?

Immer weniger im klassischen militärischen Bereich, also in den Kriegen. Eines der Hauptprobleme sind die zunehmenden Verteilungskriege um knappe Ressourcen, insbesondere um Erdöl. Da nützt Ihnen das Militär nichts, da brauchen Sie eine neue Energiepolitik. Nur die schafft globale Sicherheit. Die nächste Bedrohung sind organisierte Kriminalität und Terrorismus. Da braucht man gut ausgebildete Polizei. Bleiben noch regionale Kriege mit Auswirkungen auf Europa und Österreich. Das ist die letzte militärische Kernaufgabe. Dazu brauchen wir spezialisierte kleine Einheiten. Da haben Präsenzdiener aber keinen Platz. Das Ganze passiert selbstverständlich im Rahmen der EU. Und innerhalb dieses Rahmens sollten wir uns auf polizeiartige Einsätze zur Friedenssicherung spezialisieren. Aber keine Teilnahme an Battlegroups. Wir sollten endlich aufhören, im großen Maßstab Krieg zu spielen.

Österreich sollte sich also auf das untere Spektrum der Petersberg-Aufgaben konzentrieren. Pickt man sich da nicht die Rosinen heraus?

Nein, eher die schwierigsten Aufgaben. Das Personenrisiko ist im unteren Petersberg-Spektrum wesentlich höher als im obersten. Die komplizierten Polizeieinsätze mit leichter Bewaffnung, wo man offen auf der Straße herumgeht und auch mit den Leuten reden muss, sind viel, viel gefährlicher als Einsätze mit Kampfpanzern.

Wie muss ein Heer aussehen, das diese Aufgaben erfüllt?

Wenn die Wehrpflicht abgeschafft wird, können wir das mit einem Berufsheer mit maximal 10.000 Personen erfüllen. Bestehend aus leichter Infanterie zur Bewältigung dieser Polizeieinsätze, Pionieren für internationalen Katastrophenschutz und ABC-Schutzeinrichtungen. Dazu Aufklärung und Transport und eine möglichst schlanke Verwaltung, das reicht. Keine Panzer, keine Artillerie, keine Jagdbomber.

Wie sieht das personalmäßig aus?

Das sind großteils Zeitsoldaten mit einem Vertrag auf 10 Jahre. Wichtig ist, dass Sie diesen Personen eine Berufsperspektive geben. Das heißt: gemeinsame Ausbildung mit der Polizei und das Recht, nach zehn Jahren in den Polizeidienst übernommen zu werden. So kriegt man die wirklich guten Leute - und nicht die Söldner, die irgendwo in der Dritten Welt Krieg spielen wollen.

Sie sagen ja zu Auslandseinsätzen, Landesverteidigung fällt mangels Bedrohung weg, was ist mit der Katastrophenhilfe im Inland ?

Die muss man zivil durchführen, dann kostet sie etwa ein Zehntel dessen, was sie jetzt kostet. Durchgeführt werden sollte sie nach dem Vorbild des Technischen Hilfswerks in Deutschland von einer kleinen, gut ausgerüsteten Organisation, die auf zivile Strukturen wie Feuerwehren zurückgreift und als schwere Einheit die Pioniere des Bundesheeres hat.

Wie ist eigentlich Ihr persönliches Verhältnis zum Verteidigungsminister?

Ich halte ihn persönlich für einen netten und anständigen Menschen, für dieses Amt aber für völlig ungeeignet. Sachliches Interesse habe ich bis heute nicht gefunden.

Sind Zivildiener generell für das Amt des Verteidigungsministers ungeeignet?

Ich war selbst Zivildiener und kenne mich besser aus als die meisten Militärs.

Sie finden, sowohl Darabos als auch Generalstabschef Edmund Entacher gehören rausgeschmissen. Was hat der General falsch gemacht?

Offensichtlich hat auch er falsche Berichte vorgelegt - das behauptet zumindest der Verteidigungsminister - und er hat schon seit vielen Jahren den Reformprozess blockiert. Er ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass die Bundesheerreform gescheitert ist.

Wissen

Die Petersberg-Aufgaben sind integraler Bestandteil der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und in Artikel 17 des Vertrags über die Europäische Union festgeschrieben. Sie umfassen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Maßnahmen sowie Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung und friedensschaffende Maßnahmen. Sie wurden 1992 beim Gipfel der Westeuropäischen Union in Petersberg bei Bonn definiert.

Peter Pilz (57) sitzt seit 1986 für die Grünen im Nationalrat. Siehe auch:SPÖ und ÖVP zufrieden mit Gesprächen