Spindelegger hat Zweifel an Paktfähigkeit der SPÖ. | "Weitermachen hat dann keinen Sinn." | "Keine Homo-Ehe am Standesamt". | "Wiener Zeitung": Werner Faymann, der neue starke Mann der SPÖ, beharrt darauf, dass die Pensionsautomatik nicht kommt. Wird die Koalition daran scheitern? | Michael Spindelegger: Es geht nicht nur um die Pensionsautomatik, sondern darum, ob es mit der neuen Führung der Sozialdemokratie so viel Gemeinsamkeiten gibt, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann. Faymann muss das beantworten.
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Und die ÖVP muss die Frage beantworten, ob sie die Koalition an der Pensionsfrage zerbrechen lassen will?
Das ist nicht der Kern der Sache. Ein Auslösungsmechanismus sollte außer Streit stehen, wenn sich wesentliche Parameter des Pensionssystems verändern. Ansonsten sind wir wieder in der Situation, dass alle zehn Jahre eine schmerzhafte Pensionsreform notwendig wird - mit allen damit verbundenen politischen Problemen. Eine automatische Anpassung ist mir da lieber. Ein solcher Auslösungsmechanismus wurde in der Regierung vereinbart, jetzt aber wieder in Frage gestellt. Bei welchem der 95 Punkte, auf die sich die Regierung zu Ostern einigte, wird die SPÖ als nächstes abspringen?
Der Begriff Auslösungsmechanismus scheint einen Kompromissspielraum anzudeuten - ist das so?
Es geht nicht um die technischen Details, sondern um die Grundsatzfrage, ob einmal gegebene Zusagen auch wirklich halten.
Und gibt die ÖVP Faymann die Chance, die Regierungsarbeit auf SPÖ-Seite zu stabilisieren?
Diese Chance hat er, die Frage ist, ob Faymann auch den Willen hat, das Regierungsprogramm abzuarbeiten. Hier habe ich Zweifel angesichts seines Neins zur Pensionsautomatik. In diesem Fall hat niemand etwas davon, weiterzumachen. Derzeit sehe ich nicht die positive Energie, die Faymann einbringt. Bis jetzt geht es ihm nur darum, die Unzufriedenen in der SPÖ einzufangen.
Der Streit wird eskalieren?
So sieht es das Regiebuch der SPÖ offensichtlich vor.
Die SPÖ argumentiert, dass man so ein zentrales Thema wie Pensionen nicht dem Computer überlassen darf.
Es entscheiden nicht Computer, sondern Menschen. Jeder Minister ist gut beraten, wenn er eine Mehrheit des Parlaments bei seinen Entscheidungen hinter sich weiß - und im Ministerrat ist sowieso Einstimmigkeit notwendig. Das ist ein Streit um des Kaisers Bart und dahinter steckt der Pensions-Populismus der SPÖ.
Als Streit um des Kaisers Bart könnte man auch die ÖVP-Debatte um die Homo-Ehe betrachten. Was kommt?
Sicher kein Standesamt. Dort wird in den Augen der Bevölkerung geheiratet. Hier geht es aber nicht um eine Ehe, sondern um die Beseitigung von etwaigen Diskriminierungen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Deshalb wird auch der Entwurf von Justizministerin Berger von den ÖVP-Ressorts abgelehnt, weil er zu sehr auf eine Homo-Ehe hinausläuft.
ÖVP-Zukunftshoffnung Josef Pröll hat sich für das Standesamt stark gemacht. Eine innerparteiliche Niederlage?
Pröll hat im Perspektivenprozess viele gute Anregungen geliefert, etwa im Bereich der Familienbesteuerung. Das ist sein historischer Verdienst, aber kein Grund, alle Ideen eins zu eins zu übernehmen.
Parteichef Molterer sprach allerdings von einem Umsetzungsauftrag in Bezug auf den Perspektivenprozess.
Ja, aber das war auf das Große und Ganze gemünzt, nicht auf jedes einzelne Detail.
Ein neues Phänomen dieser großen Koalition ist, dass beiden Parteien die Kontrolle über die Parlamentsklubs entglitten ist.
Die Verfassung sieht genau diesen Zustand vor.
Das stimmt, nur hat sich seit 1945 niemand um das Prinzip des freien Mandats geschert. Im Parlament wurde beschlossen, was von der Regierung kam.
Die Lösung sehe ich in der rechtzeitigen Einbindung der Klubsprecher in die Verhandlungen. Hier ist ein Lernprozess der Regierung gefordert.
Man könnte es auch als Schwäche der Klubchefs Cap und Schüssel deuten.
Ich sehe die Klubchefs nicht als Zuchtmeister, sondern als Koordinatoren. Ich empfehle jeder Regierung, in wesentlichen Fragen rechtzeitig mit dem Parlament in Dialog zu treten.