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Keine Ruh’ über den Wipfeln

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Wir begehen derzeit das "Jahr des Waldes 2011", was freilich die wenigsten schon bemerkt haben dürften. Es ist aber viel los im Wald und rund um ihn.


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Die Psychose um das Waldsterben, die rund 25 Jahre zurückliegt, hat immerhin gezeigt, dass der Mythos Wald in Österreich fast so stark aufgeladen ist wie in Deutschland. Gestorben ist der Wald natürlich nicht, die große Umweltdiskussion ging aber ins Ohr und löste nicht nur ernstzu nehmende Forschungen aus, sondern half den grünen Parteien hier und anderswo.

Vielleicht lässt sich das Thema allmählich sogar versachlichen, denn ein Forstbestand, der fast die Hälfte des österreichischen Bodens bedeckt und sich in jedem Jahr durch Zuwachs erweitert, lässt sich ja wirklich nicht auf die Dimension des Schwammerlsuchens und Käfersammelns reduzieren. Es steckt mehr dahinter, beispielsweise die soeben erfolgte Einigung zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und der Wald- und Forstwirtschaft: Sie wollen den Holztransport auf der Schiene auf einer für beide Seiten akzeptablen Preisbasis abwickeln. Die ÖBB, die den Transport in ihrer schwer defizitären "Rail Cargo Austria" durchführen, versuchten eigentlich, die Tarife einseitig hinaufzuschnalzen, egal was passiert. Die Nerven der Holzwirtschaft lagen blank, und nicht nur bei ihr - pro Jahr werden zehn Millionen Tonnen Holz auf Schienen transportiert. Man stelle sich vor, dieses Riesenkontingent würde wie so vieles andere kontingentweise auf Straßen-Lkw umgeladen.

Ob der gefundene Kompromiss dauerhaft ist, wird man erst sehen. Der mehrmonatige Verhandlungsmarathon hat aber gezeigt, dass die Realität der österreichischen Wald- und Holzwirtschaft eine Menge Reibungsflächen erzeugt, die gar nicht vermeidbar sind. Die vor mehr als fünf Jahre gegründete Plattform "Forst Holz Papier" (FHP) ist die Schaltstelle für alle Interessengruppen, also: Klein- und Großwaldbesitzer, Sägewerke, Transportunternehmen, Bauindustrie, Papierindustrie, Plattenindustrie, Alternativenergieerzeuger, Naturschützer. Im Grund genommen heißt das: Jeder gegen jeden, denn wenn die Biomassewerke hochwertiges Rundholz verbrennen, fehlt es der Bauindustrie, verbrennen sie aber in unersättlichem Hunger zu viel Ast- und Strauchwerk, muss die Platten- und Papierindustrie teures Holz importieren. Das ist schon vorgekommen und nur eine der Kampflinien.

In Wahrheit aber hat Österreich mit seinem natürlich gewachsenen Wald einen unglaublich reichen Schatz, dessen Zukunftsprojektion in die Ära schwindender Fossilenergiequellen eindrucksvoller ist als jede Börsenspekulation. Eine Voraussetzung, dass sich der Wert realisieren lässt und zugleich für künftige Generationen gesichert wird, ist freilich eine Professionalisierung der Wald- und Holzökonomie. FHP rechnet, dass entlang der Wertschöpfungskette Holz schon heute 280.000 Personen ihr Einkommen erzielen. Der universale Rohstoff Holz ist zu allem gut, sogar die Asche hat Verwendungsmöglichkeiten. Die Zukunft liegt jenseits des unkalkulierten Abholzens ohne Nachhaltigkeit, aber auch jenseits simpler Naturschutzphilosophien. Naturparks sind im "Jahr des Waldes" attraktive Errungenschaften, und sowohl Menschen als auch Borkenkäfer mögen sich in ihnen des Lebens freuen.

Aber den ganzen Wald als Naturpark zu betrachten, wäre das Ende des Waldes. Er ist nur deshalb so reich vorhanden, weil er bereits Jahrhunderte hindurch gepflegt und genutzt wird.

Der Autor ist Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus und war zuvor Journalist bei "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".