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Nein, der Amtsantritt Alexander Van der Bellens kennzeichnet keine Zäsur, jedenfalls nicht im Sinn eines Einschnitts. Als der Dichter-Dissident Vaclav Havel 1989 zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt wurde, zählten Frank Zappa und Lou Reed, zwei Ikonen der amerikanischen Underground-Kultur, die Havel bei seinem Kampf gegen das kommunistische Regime beeinflussten und beeindruckten, zu den ersten Gästen auf dem Hradschin, der Prager Burg. So geht die Inszenierung einer politisch-kulturellen Zäsur.
Doch das war 1989, und damals wurde mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, dem Ende des europäischen Staatssozialismus Weltgeschichte geschrieben. Davon kann im Österreich des Jahres 2017 keine Rede sein. Und das ist nichts, worüber wir unglücklich sein sollten.
Entsprechend hat der neue Bundespräsident seine Antrittsrede ausgerichtet. Sich selbst hat der erste Grüne im höchsten Amt der Republik ganz in die Tradition seiner großkoalitionären Vorgänger eingereiht – überparteilich gegenüber den Parteien, zurückhaltend gegenüber der Regierung, brückenbauend bei Konflikten und dezidiert pro-europäisch. Van der Bellen hielt eine Mut-Rede angesichts der Verzagtheit, welche die Regierung bei alltäglichen Arbeit vorlebt, und der Verunsicherung, die die internationalen Nachrichten bestimmen.
Und was dabei stets, wie ganz selbstverständlich und entsprechend pathosbefreit mitschwang, waren die Hinweise auf die vielfache Buntheit dieses Landes in Bezug auf Abstammung, Kultur und Lebensstil seiner Menschen. Van der Bellen gelang es, diese längst faktische Selbstverständlichkeit ganz nebenbei zu betonen.
Überhaupt hinterließ die Art seiner Rede fast den stärkeren Eindruck als ihr Inhalt. Van der Bellen gelang es mit seiner ersten Rede, das Amt des Staatsoberhaupts – im besten Wortsinn – zu verbürgerlichen: Der Tonfall unaufgeregt, fast plaudernd, mit dem Mut – und inneren Ausgeglichenheit – zu spontaner (Selbst-)Ironie, nie belehrend, nie pathetisch beschwörend.
Die nächsten sechs Jahre sitzt einer in der Hofburg, der sich trotz aller staatspolitischen Würden und Aufgaben zuallererst als Bürger dieser Republik versteht. Der um den Wert und die Rolle von Institutionen und Traditionen weiß, diesen aber mit einem geerdeten liberalen Skeptizismus gegenübersteht. Keine schlechte Konstellation.