Industriellenvereinigung für "relativ hohe" Studiengebühren - für Büro Mitterlehner und ÖH kein Thema.
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Wien. "Das Studium wird zum Großteil von Menschen finanziert, die nicht an die Uni gehen", sagte Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), am Donnerstag bei der Vorstellung des Hochschulkonzeptes der IV. "Keine Studiengebühren zu verlangen, ist daher asozial." Ein sozialer Ausgleich werde erst dadurch geschaffen, so Kapsch weiter, wenn man "relativ hohe", allgemeine Studiengebühren einführe - und gleichzeitig "relativ hohe" Stipendien vergebe. Das Konzept ist der zweite Baustein des IV-Programms "Beste Bildung". Im Vorjahr hatte die IV ihr Modell für den Schulbereich vorgestellt: ganztägige Schulzentren für 5- bis 18-Jährige.
Was denn die Angabe "relativ hohe" Studiengebühren konkret bedeutet, präzisierte Kapsch am Donnerstag folgendermaßen: Er meine damit Gebühren in der Höhe von 363,36 Euro pro Semester, wie sie bereits von 2001 bis 2009 eingehoben wurden und heute Studierende nach Überschreitung der Mindeststudiendauer zahlen müssen, oder höher. "1000 Euro pro Semester wäre aber zu viel." In Kombination dazu müsse man den Hochschulzugang besser regeln, ähnlich dem Aufnahmeverfahren an den MedUnis. Gleichzeitig müsse es eine klarere Abgrenzung zwischen Universitäten und Fachhochschulen geben.
"Komplett falscher Weg"
Die höheren Stipendien wiederum sollen für jene Studienrichtungen vergeben werden, die Studenten seltener wählen, obwohl es vielversprechende Aussichten gibt. Die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) fallen Kapsch zufolge in diese Kategorie. Durch höhere Stipendien sollen sie attraktiver werden. Zudem sprach sich Kapsch für das Darlehensprinzip wie etwa in Australien aus: Studenten erhalten Kredite, die sie einkommensabhängig erst im Erwerbsalter zurückzahlen müssen.
"Auf Zugangsbeschränkungen und der Einführung von Studiengebühren samt Verschuldungssystem zu pochen, ist für uns als ÖH ein komplett falscher Weg", sagt dazu Bernhard Lahner vom Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung zur "Wiener Zeitung". Wenngleich sich die Österreichische Hochschülerschaft freue, "dass die IV die Bedeutung von Bildung erkennt", sei deren Fokus definitiv ein anderer. "Er liegt auf Vereinheitlichung des Sektors, nicht auf Differenzierung und Spaltung", so Lahner. Und: Die Hochschulpolitik dürfe sich nicht rein an den Interessen der Wirtschaft orientieren.
Nüchterner formuliert es das Büro von Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Das Thema Studiengebühren sei derzeit kein Thema, eine Einführung stehe nicht im aktuellen Regierungsübereinkommen, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". Die Forderung nach einer besseren Zugangsregelung "spielt uns aber in die Hände". Mitterlehner habe bereits angekündigt, nach Vorliegen der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluierung mit dem Koalitionspartner über eine Verlängerung der bestehenden Zugangsregelungen für Architektur, Biologie, Informatik, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften sowie eine eventuelle Ausweitung auf weitere Massenfächer zu verhandeln. Prinzipiell deckten sich die Forderungen der IV nach einer besseren Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft mit den Zielen des Ministeriums.
"Schritt in Richtung Normalität"
Zustimmung kam auch von der Universitätenkonferenz und den Neos. SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl sieht indes einen "Rückfall in Uralt-Zeiten der Studierenden-Belastung". Die Grünen sprechen ebenfalls von einer "klassischen studierendenfeindlichen, neoliberalen Agenda". Der FPÖ fehle "der große Wurf", wie es heißt.
Der Bildungsexperte Arthur Schneeberger vergleicht mit dem Ausland. "Dort, wo jene Unis stehen, die bewundert werden, sind Studiengebühren eine Selbstverständlichkeit." Bewundernswert seien etwa die englischsprachigen Länder. Eine Wiedereinführung der Gebühren in Österreich wäre "ein Schritt in Richtung Normalität". Keine Gebühren und kein Numerus clausus, wie es derzeit der Fall ist, ziehe indes ein mangelndes Bewusstsein für die Investition jedes Studierenden in seine Lebenszeit nach sich. Würde man gezielter studieren, gäbe es später weniger Arbeitssuchende beim AMS.