Zum Hauptinhalt springen

Keine Uni-Strategie für Wien

Von Bernd Vasari

Politik
Wäre die Uni Wien ein normales Unternehmen, das auch absiedeln könnte, würde man es anders behandeln, sagt der Uni-Beauftragte der Stadt Wien, Alexander Van der Bellen (Grüne).
© Universität Wien

Uni-Beauftragter Alexander Van der Bellen übt harte Kritik an Bundesregierung und der Stadt Wien.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Anzahl der international mobilen Studierenden hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt. Dies ist vor allem auf Studierende aus China, Indien, Vietnam oder Iran zurückzuführen, die vermehrt außerhalb ihres Heimatlandes an einer Hochschule inskribieren. Um die besten dieser Hochschüler tobt nun schon seit längerem ein Wettbewerb. Viele Länder werben aktiv, die Niederlande oder Deutschland haben sogar eigene Büros in Zielländern eingerichtet und unterstützen die Studierenden etwa bei administrativen Dingen, damit diese quasi hürdenlos ins Land kommen.

Österreich nimmt an diesem Wettbewerb hingegen nicht teil, kritisiert, Alexander Van der Bellen (Grüne), Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung. Will man in Österreich studieren, muss man jede Hürde selber überspringen. Und es sei bekannt, dass das österreichische Fremdengesetz ziemlich schwierig sei, fügt Van der Bellen hinzu.

Uni-Standort Wien droht Attraktivitätsverlust

Derzeit ist jeder vierte Student in Wien ein Ausländer. Laut dem Uni-Beauftragten droht dem Studienort aber ein Attraktivitätsverlust, wenn Österreich, aber auch Wien, weiterhin zu wenige Maßnahmen setzen würde, um internationale Talente zu holen. Dies bestätigt auch eine Studie, die vom Zentrum für Wirtschafts- und Innovationsforschung der Joanneum Research Forschungsgesellschaft durchgeführt wurde. In der Studie wurde Wien mit München, Zürich, Amsterdam und Kopenhagen verglichen.

Während Deutschland, die Niederlande und Dänemark sehr ambitionierte Ziele verfolgen würden, um die Attraktivität für Hochqualifizierte aus anderen Ländern zu steigern, ortet die Studie in Wien Nachholbedarf. "Es war keine Strategie feststellbar, wie wir mit der zunehmenden Internationalisierung umgehen. Es wäre sinnvoll, sich dieses Themas bewusst anzunehmen", sagt Studienautor Andreas Niederl.

Auch die Schweiz würde nicht aktiv um die besten Köpfe werben, so Van der Bellen. Durch das Renommee der ETH Zürich und der Uni Zürich, die beide weltberühmt sind, sei dies aber auch nicht nötig, weil die Hochqualifizierten sowieso kommen würden. Allerdings werde in der Schweiz mehr Geld in die Hand genommen, um die Unis zu unterstützen. "Schön wäre es, wenn wir auch die Schweiz wären", sagt Van der Bellen. Denn von führenden Hochschulen sei das Wiener Pendant TU und Uni weit entfernt. Die Schuld dafür liege aber nicht bei den Unis, sondern beim Bund, betont der Uni-Beauftragte.

Immer wieder wird laut Van der bellen versprochen, dass das Uni-Budget auf zwei Prozent des BIP aufgestockt wird. Passiert ist aber noch nichts. Diese Versprechungen habe Van der Bellen daher "gründlich satt". Derzeit liege man bei maximalen 1,5 Prozent. "Man könnte es anheben, aber man will nicht."

Zuerst Unterstützung, dann Schwierigkeiten

Vielmehr trage Österreich die Ausbildungskosten der Studierenden, macht dann aber Schwierigkeiten, wenn die Betreffenden im Land bleiben wollen. "Das ist eine irrsinnige Strategie", ärgert sich Van der Bellen. Die Rot-Weiß-Rot-Karte sieht er als Instrument dieser "Nicht-Bestrebung" Österreichs. Denn ein Bachelor werde nicht als Abschluss anerkannt und auch Absolventen von Master- oder PhD-Studien müssen innerhalb von sechs Monaten einen gut bezahlten Job finden. "Hier werden überflüssige und kontraproduktive Hürden aufgebaut", meint Van der Bellen in Richtung Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ).

In Deutschland habe man hingegen 18 Monate Zeit um einen Job zu finden. Forderungen der Wirtschaftskammer, den Zeitraum auf zwölf Monate zu erhöhen, findet Van der Bellen lächerlich: "Warum nur zwölf?"

Auch die Vernachlässigung des asiatischen Raums stößt dem Uni-Professor sauer auf. Denn derzeit kommen die meisten internationalen Studierenden in Österreich aus Deutschland und Südosteuropa. Und zwar - statt wie in anderen Ländern für postgraduale oder zumindest Masterstudien - oft auch schon für den Bachelor. "Ist es sinnvoll, den asiatischen Raum schleifen zu lassen?", fragt Van der Bellen, um gleich darauf mit einem Gleichnis zu antworten: "Wenn in der Staatsoper nur Wiener singen würden, wäre das sicher auch ganz gut, aber keinesfalls mehr Weltspitze."

Er nimmt hier auch die Stadt Wien in die Pflicht. Die Uni Wien sei ein wesentlicher Arbeitgeber in der Stadt. "Wenn das ein Unternehmen wäre, das absiedeln könnte, würde man hier ganz anders agieren."