Zum Hauptinhalt springen

Keine US-Verhältnisse

Von Martin Sattler

Wirtschaft
Die Prozessfinanzierung ist für österreichische Anwälte kein Thema. Foto: illuscope

Verbot gilt nur für Rechtsanwälte. | Quote von 20 bis 50 Prozent üblich. | Wien . Rund um den Anlageskandal des Finanzdienstleisters Amis und die Wohnbauaffäre der Salzburger WEB war immer auch vom Unternehmen Advofin die Rede, das für seine Klienten das finanzielle Risiko dieser Prozesse übernommen hatte.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Prozessfinanzierung ist in Österreich ein sehr junges Geschäft. Der Prozessfinanzierer zahlt Gerichtsprozesse, die der Klient aufgrund des hohen Kostenrisikos nicht führen kann oder will. Das Unternehmen übernimmt sämtliche Prozesskosten und damit das gesamte finanzielle Risiko. Im Fall des Unterliegens vor Gericht steht es für alle Anwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten ein. Im Erfolgsbzw. Vergleichsfall erhält der Finanzierer hingegen eine vertraglich festgelegte Erfolgsquote vom erstrittenen Ertrag.

Während immer wieder US-amerikanische Anwälte mit solchen Quoten Schlagzeilen und Millionen machen, ist diese Vorgehensweise österreichischen Rechtsanwälten untersagt: § 879 ABGB und § 16 der Rechtsanwaltordnung. Danach handelt ein Anwalt sitten- und standeswidrig, wenn er sich für seine Rechtsvertretung einen bestimmten Anteil am Streitwert (lat. "quota litis", siehe unten) versprechen lässt.

Warum gilt diese Regelung aber nur für Anwälte und nicht auch für Finanzierungsgesellschaften? Für Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, sind Prozessfinanzierer keine Rechtsfreunde im Sinn des Gesetzes und daher vom Verbot nicht betroffen. Probleme könnte es aber bei der Konstruktion der neuen Sammelklagen nach österreichischem Recht geben. Hier tritt ein Verein oder ein Unternehmen, etwa der Zusammenschluss Geschädigter, zwischen Kläger und Prozessfinanzierer. In diesem Fall könnte der Verein eventuell als Rechtsfreund angesehen werden und unter das Quota-litis-Verbot fallen. Eine ungebührlich hohe Quote wäre allerdings jedenfalls sittenwidrig.

Umgehung unmöglich

Bedenken, dass Anwälte das Verbot durch Gründung von Finanzierungsgesellschaften umgehen könnten, hat Benn-Ibler nicht: Einerseits dürfen Anwälte an solchen Unternehmen gar nicht beteiligt sein, andererseits wäre auch eine Umgehung (z.B. Gründung durch den Ehepartner) unter Umständen standeswidrig und daher genauso verboten wie eine Quota-litis-Vereinbarung mit einem Klienten selbst. Benn-Ibler betont aber, dass solche Fälle in Österreich bisher nicht vorgekommen sind und im Einzelfall genau zu prüfen wären. Das Thema "Quote am Streitwert" ist in der heimischen Anwaltsszene eher von nebensächlicher Bedeutung. "Manche sind dafür, manche dagegen", erzählt Benn-Ibler. Auf Seiten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages besteht jedenfalls keine Absicht, am Verbot etwas zu ändern. "Wichtig ist die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes im Prozess. Bei einer quotenmäßigen Beteiligung vertritt er aber eigene Interessen", so der Präsident. Da es in den USA selbst bei Obsiegen vor Gericht keinen Ersatz der eigenen Anwaltskosten gibt, erscheint dort eine Quote sinnvoll, um das Kostenrisiko zu begrenzen: Gewinnt man, bekommt der Rechtsvertreter seinen vereinbarten Anteil. Verliert man, bleibt der Anwalt auf seinen Aufwendungen sitzen. Aufgrund des österreichischen Modells des Kostenersatzes bei Prozessgewinn ist eine Regelung, die den Anwalt beteiligt, für Benn-Ibler nicht notwendig.

Franz Kallinger, Vorstand des österreichischen Prozessfinanzierers Advofin, versteht sein Unternehmen als nachträgliche Rechtsschutz-Versicherung. Dabei ersetzt die Beteiligung am Streitwert die bei einer Versicherung ansonsten vorher angefallenen Prämien. Die Quote liegt zwischen 20 und 50 Prozent, je nach Prozessrisiko.

Frage von Millionen

Auch Kallinger glaubt nicht, dass in Zukunft Anwälte das Instrument der Prozessfinanzierung für eigene Geschäfte verwenden werden. Man brauche sehr viel Eigenkapital, v.a. auch weil ein Prozess durchschnittlich drei Jahre dauert. "Wir reden hier nicht von 100.000 Euro, sondern von mehreren Millionen", so Kallinger. Vergangenes Jahr wurden 700 Anträge bei Advofin zur Kostenübernahme gestellt. Nach eingehender Prüfung der Prozess-Chancen durch externe Sachverständige, darunter auch Rechtsanwälte, übernahm die Gesellschaft nur fünf Prozent der Aufträge.